Full text: Die Berliner Arbeiterbewegung von 1890 bis 1905

Vierzehntes Kapitel. 
Die Berliner Arbeiter-Sanitätskommission 
und der Boykott der Charite. 
unausgesetzte Drängen der Sozialdemokraten in der Stadtverord- 
netenversammlung auf eine durchgreifende Gesundheitspolitik der 
Stadt Berlin fand während einer Reihe von Jahren eine wirkungs 
volle Ergänzung durch die Tätigkeit der Berliner Arbeiter-Sanitätskommission, 
darunter den von dieser ins Werk gesetzten Boykott der Berliner Charits. 
Den Anstoß zur Bildung der Arbeiter-Sanitätskommission gab am 
8. September 1892 eine Verhandlung in der Stadtverordnetenversammlung, 
die sich um Vorbeugemaßregeln gegen Einschleppung und Verbreitung der 
in Lamburg wütenden Cholera drehte. Der Magistrat forderte einen 
Kredit von 800 000 Mk. für Durchführung einer Reihe von fanitäts- 
polizeilichen Maßnahmen, gegen die sich, soweit sie gingen, nichts einwenden 
ließ, die aber der Redner der sozialdemokratischen Fraktion, Dr. I. Zadek, 
für bei weitem nicht ausreichend erklärte. Er verlangte, daß man aus den 
Erfahrungen Hamburgs die Erkenntnis von der Notwendigkeit ziehe, durch ein 
Gesundheitsamt allen sanitätswidrigen Verhältnissen Berlins nachzuspüren 
und an den Leib zu gehen. Lind weiter forderte er, daß man für diese 
Aufgaben die Arbeiterschaft hinzuziehe. Er verwies dabei auf Lamburg, 
wo die Behörden selbst sich genötigt sahen, die organisierte Arbeiterschaft 
um deren tätige Mitwirkung bei der Bekämpfung der Cholera-Epidemie zu 
ersuchen, und wo diesem Gesuch von den Arbeitern in einer Weise entsprochen 
wurde, die selbst den Gegnern bewundernde Anerkennung abrang, während 
das Bürgertum in Scharen die Flucht ergriff. 
Die Stadtverordnetenmehrheit wollte von diesen Vorschlägen nichts 
wissen. Noch brannte den Berlinern das Feuer nicht auf den Nägeln, 
und so glaubte man es bei den paar, vom Magistrat vorgeschlagenen 
sanitätspolizeilichen Abwehrmaßregeln bewenden lassen zu können, die allenfalls 
wohl die bürgerlichen Klassen vor der Cholera schützen konnten, aber für den 
Schuh der viel stärker gefährdeten Arbeiter ganz und gar nicht ausreichten. Dies 
veranlaßte Zadek, seinerseits die Berliner Arbeiterschaft zum selbsttätigen Ein 
greifen aufzufordern. In einem Aufruf, der im „Vorwärts" am 11. Sep 
tember 1892 erschien, kennzeichnete er unter Linweis auf die Lage der Dinge 
in Lamburg die Weigerung der Berliner Komnmnalvertretung, aus den Lam-
	        
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