Full text: Wirtschaftlichkeitslehre

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stehen (man vergleiche die früheren Abschnitte über »soziale Rationali- 
sierung«), sondern hauptsächlich deshalb, weil aus ihnen eine mehr 
politisch als gewerkschaftlich indizierte Anschauungsweise hervor- 
geht, welche den für Österreich so dringend notwendigen Fortschritt 
der Rationalisierung arg zu verzögern droht. Es ist aber doch zu 
hoffen, daß jene maßvollen und geläuterten Anschauungen, wie sie 
z. B. vom Abgeordneten Hueber (s. oben) kundgetan wurden, die 
Oberhand gewinnen, daß es zu gemeinsamen Aussprachen beider 
Gruppen kommen wird, um das für die Betriebe und für die Arbeiter 
in gleicher Weise Nützliche herauszufinden und anzuwenden. Für 
eine solche realpolitische Behandlung der Rationalisierungsfragen 
traten schon Abgeordneter Streeruwitz (im Budgetausschusse am 
10. November 1927), Bundeskanzler Dr. Seipel (9. November 1927) 
und Abgeordneter Dr. Renner (9. November 1927) ein. Vielleicht 
raffen sich unerschrockene, die Wahrheit liebende Männer in allen 
Lagern auf, um, unabhängig von parteimäßiger Bindung, paritätische 
Aussprachen über Rationalisierung und Arbeiterfrage herbeizuführen — 
sie wären des Beifalles des überwiegenden Teiles der Bevölkerung 
sicher, wahre patres patriae! 
15. Öffentliche Rationalisierung. 
(Rationalisierung der öffentlichen Verwaltung und des Parla- 
mentarismus.) 
Infandum renovare dolorem —: unermeßlichen Schmerz erneuern 
heißt es, wenn man von der Rationalisierung der öffentlichen Ver- 
waltung zu sprechen anhebt. Man verfällt dabei leicht in die Rolle 
des Predigers in der Wüste, denn hier handelt es sich um im Inner- 
sten irrationelle Materien der Reform, um Tatbestände, in denen 
das irrationelle Wesen der Menschen sich gründlich auslebt, 
Gefühle, Leidenschaften, Nepotismus, krankhaften Ehrgeiz, aber 
auch engstirnigen Unverstand, vermutliche Weltanschauungen, und 
es ist schwer, ungemein schwer, an rationelle Verbesserungen der 
mannigfachen Übelstände in der Öffentlichen Verwaltung zu 
schreiten. Es ist Sisyphusarbeit. Aber sie muß unternommen 
werden, wenn man ‚anders Erfolge der privatwirtschaftlichen 
Rationalisierung ernsthaft anstrebt, sie ist — um mit Karl Menger 
zu sprechen — das komplementäre Gut der privaten Rationalisierung. 
Denn was nützt diese und wer wird sich für sie noch einsetzen,
	        
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