mit den Erklärungen des Abg. Lasker: Was „Entstehung"
einer Forderung sei, dürfte schwer auseinanderzusetzen sein.
Die Regierung wolle von einem Zeitpunkte ab, der an sich
juristisch nicht genau fixirt sei, eine Frist von einem Jahre
laufen lassen. Da scheine es besser für den Beschädigten zu
sein, wenn er den Anfangspunkt der Verjährung genau kenne
und wenn von da diese zwei Jahre dauere. Die Frage, un
ter welchen Umständen die Nachkommen des Getödteten ein
selbstständiges Recht hätten, sei bei § 3 des Gesetzes zu
beantworten. Der § 8 entscheide diese Frage nicht, sondern
nur: wenn die Nachkommen am Tage des Todes des Verun
glückten ein Recht haben, dann solle von diesem Tage die Ver
jährungsfrist für ihre Ansprüche laufen, und zwar zwei Jahre,
jedoch mit der Voraussetzung, daß, wenn für den Beschädigten
selbst der Anspruch am Todestage bereits verjährt sei, seine
Erben auch keinen Anspruch weiter hätten. Denn diese hätten
nur Rechte aus dem Rechte des Erblassers, und wenn für
diesen selbst jedes Recht getilgt sei, und zwar durch Verjährung
oder durch Vergleich, oder auf andere Weise, so „können die
Nachfolger durch den Todesfall keinen seiner Verpflichtungs
gründe nach erloschenem Rechtsanspruch erlangen." — Dagegen
könne der Beschädigte gewisse Rechte schon geltend gemacht
haben und mit seinem Tode in Folge des bestehenden noch
nicht erloschenen Verpflichtungsgrundes ein in seiner Art neuer
Anspruch für die Erben eintreten und von ihnen geltend ge
macht werden: — „wenn also am Todestage ein Recht für
die Erben vorhanden war, so verjährt es in zwei Jahren;
wenn jeder Verpflichtungsgrnnd erloschen war, so ist keine
Verjährung mehr nothwendig." — *)
3. Bei der Verjährung kann es sich um folgende For
derungen handeln:
A. Heilungskosten, sowohl wenn sie der Verunglückte
selbst fordert, als auch wenn sie die berechtigten Nachfolger
(Alimentirten) beitreiben, sind der Verjährung in zwei Jahren
vom Tage des Unfalles ab unterworfen.
B. Beerdigungskosten unterliegen derselben Verjährung
vom Tage des Unfalles ab.**)
C. Schadensersatz für den Verlust an Erwerb u. s. w.
des Verunglückten selbst: für diese Forderung gilt dieselbe
Verjährungsfrist vom Unfalltage ab.
D. Schadensersatz für Alimente rc. an gesetzlich Berech
tigte. Dieser Anspruch unterliegt der selbstständigen Geltend
machung der Berechtigten und zwar mit einer Verjährungsfrist
von zwei Jahren, angerechnet vom Todestage des Verun
glückten, jedoch wird vorausgesetzt, daß auch der Anspruch des
') Stenogr. Ber. S. 505 f. — Bei der dritten Berathung des Ge
setzes im Reichstage wurde die Discussion über die Verjährung wieder und
noch lebhafter ausgenommen, und wies der Abg. Windhorst (Berlin) auf
die Lage des ältern Rechts und dessen Auslegung durch Obertribunalö-
Entscheidung hin. (Sten. Ber. S. 620). — Er zog besonders an § 54 Allg.
Landr. Th. f. Tit. 6 und dessen Declaration vom 31. März 1838 (Gesetz-
Samml. S. 252) sowie auch Erk. des Ob.-Trib. vom 20. März 1846
(Entscheid. Bd. 13 S. 19. Just.-Min.-Bl. 1846 S. 131). Doch dürften
sich Declar. von 1838 und Ob.-Trib.-Erk. von 1846 auf Beschädigungen
der bei dem Haftpflichtgesetze in Betracht kommenden Personen gar nicht
beziehen, sondern, so weit cs sich um den in Nr. 1 der Declar. v. 31.
März 1838 auch erwähnten Bergbau handelt, nur auf Beschädigung
an Sachen, namentlich an Grund und Boden, Gebäuden rc. Wenigstens
lassen die vorliegenden Rechtsquellen und Commentare diese einseitige Be
ziehung annehmen. — Jedenfalls sind diese älteren Bestimmungen, soweit
es sich um Haftpflichtfälle handelt, auf die letztern nicht mehr anwendbar
nach Erlaß des Haftpflichtgesetzes. —
**) In Bezug auf die Beerdigungskosten waren bei den Reichstags-
Verhandlungen Zweifel angeregt, die jedoch vom Bundes-Regierungs-
Commissar unter stillschweigender Zustimmung des Reichstags dahin erledigt
wurden, daß auch für diese die gegen den Verunglückten selbst laufende
Verjäbrungsfrist vom Unfalltage ab beginne. — Stenogr. Ber. S. 621.
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Verunglückten am Todestage noch nicht verjährt oder sonst durch
Richterspruch, Vergleich rc. erledigt war (s. o. unter Zus. 2).
— Wenn also diese Voraussetzung fehlt, d. h. wenn der Haupt-
anspruch des Verunglückten selbst durch Verjährung, Vergleich
oder sonst seine Erledigung schon bei dessen Lebzeiten gefunden
hat, ohne daß für seinen Todesfall die Ansprüche seiner Erb
nachfolger oder gesetzlich Alimentirten gewahrt und vorbehalten
waren, so haben auch die letztern nach dem Tode des Verun
glückten keine Ansprüche, also auch keine Verjährungsfrist.
E. Die in § 7 bezeichneten Anträge und Nachforde
rungen: Aushebung und Herabsetzung oder Erhöhung und
Wiedergewährung der Rente sowie die Sicherheits-For
derung beruhen auf dem Rechtsgrunde eines rechtskräftigen
Erkenntnisses, sind deshalb auch an keine Verjährungsfrist
gebunden. Im Uebrigen ist dies in § 7 durch den Ausdruck:
„jederzeit" ausdrücklich erklärt worden.
F. Treten Folgen der Verunglückung erst zwei Jahre nach
dem Unfalltage ein, so gilt die Präsumtion, daß dieselben nicht
dem Unfälle allein, sondern auch andern concurrirenden Ursachen
in Rechnung zu stellen, deshalb auch Ansprüche auf Entschädi
gung zu gewähren nicht geeignet seien, oder mit andern Wor
ten: auch nach dem Ablauf der zweijährigen Verjährung vom
Unfalltage ab eintretende Ansprüche auf Entschädigung sind
durch den Ablauf der Verjährung verloren gegangen.
Eine entgegengesetzte Ansicht behauptet, daß, wenn der
Tod des Verunglückten nicht sofort mit, sondern später, selbst
nach Ablauf von zwei Jahren, nach dem Tage des Unfalles
als nachweisbare Folge des letztern eintritt, die Alimenten-
Berechtigten die ihnen nach § 3 Nr. 1 zustehenden Ansprüche
noch innerhalb zweier Jahre nach dem Todestage geltend ma
chen können.*) Doch diese Ansicht würde dem oben (s. Zus.
2 zu diesem § 8) nachgewiesenen Sinne des Gesetzesgebers
widersprechen. Sollen Ansprüche über die Hauptverjährungs
frist (zwei Jahre vom Unfalltage ab) hinaus rechtsgiltig erhal
ten sein, so muß dies vom Verunglückten selbst schon während
jener Frist durch rechtsgiltige Disposition (Klage-Petitum,
Vergleichs-Bedingung) oder durch das richterliche Erkenntniß
vorbehalten sein. Können die Alimenten- oder sonstigen Be
rechtigten dies nicht nachweisen, und es kommt ihnen auch
nicht ein Theil der Hauptverjährungsfrist vom Unfalltage ab
zu Gute, so ist jeder ihrer Ansprüche am Todestage verloren.
Das Gesetz übt gegen die Rechte der Hinterbliebenen auch bei
dieser Auffassung die nöthige Rücksicht, indem es denselben ja mit
der Hauptverjährungsfrist vom Unfalltage ab und der Nachfrist
vom Todestage ab in máximo einen Zeitraum von vier Jahren
weniger einen Tag zur Geltendmachung ihrer Ansprüche gewährt.
6. Entschädigungs-Forderungen, welche auf Grund anderer
als der im Haftpflichtgesetze bezeichneten Verschuldungen und
Nechtstitel geltend gemacht werden können, unterliegen den be
sonderen Landesgesetzen nach Maßgabe des § 9 des Haftpflicht
gesetzes (s. u. § 9). —
4. Die Unterbrechung der im § 8 festgesetzten Verjäh
rung erfolgt nach den allgemeinen Rechtsregeln, und wird in
der neuen Civil-Prozeßordnung ihre nähere Bestimmung sinden.
Hierbei ist zu bemerken: Ein Vergleich unterbricht die
Verjährung nicht, sondern nur ein Klage-Antrag, eine rechts
giltige (gerichtliche oder sonst urkundlich nachweisbare) Anerkcn-
*) Vergl. z. B. Endemann, die Haftpflicht rc. S. 77. — Gegen
die hier ausgesprochene Ansicht macht sich die Widerlegung geltend, welche
der Abg. Laöker (s. o. Zusatz 2 zu § 8) in seiner Erläuterung ausge
führt hat. Das Gesetz ist durchaus nach dem Grundsätze zu erklären:
Mit dem Ablauf von zwei Jahren nach dem Tage des Unfalls sind
sämmtliche Ansprüche zur Erledigung gekommen durch Verjähning oder
Vergleich oder Richterspruch.