2. Das Entwicklungsproblem.
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und Existenzen an dem Wirtschaftskörper gesund, entwicklungsfähig und existenz
berechtigt sind. Diese Unterscheidung und Abwägung fällt zusammen mit dem Kampf
der wirtschaftlichen, sozialen, politischen und geistigen Kräfte und Parteien, ist also
keine abstrakte Doktorfrage, sondern eine Machtfrage. Dabei ergibt sich allerdings
die Tendenz des Entwicklungsprozesses aus einem Ueberblick über die wirtschaftliche
und soziale Entwicklung der Welt in den abgelaufenen Jahrzehnten von selbst.
2. Das Entwicklungsproblem.
Geht die Regierung, wie sie es mit der neueren Zoll- und Sozialpolitik getan,
aus die Wünsche der Interessenten ein, so erweist es sich für sie bald als notwendig,
einen festen Standpunkt und eine zwingende Richtlinie zu gewinnen, wodurch Sicher
heit dafür geboten wird, daß sie sich von extremer Seite nicht zu weit abdrängen läßt.
- Als Anhaltspunkte hiefür haben wir den in dem bisherigen gesetzgeberischen
Ausbau liegenden Gedanken und das Verhalten der Regierung gegenüber der Kon
kurrenz kennen gelernt. Es handelt sich nun darum, für die Weiterführung einen
zweiten Anhaltspunkt zu gewinnen. Und einen solchen erlangen wir, wenn wir uns
das Endziel der neueren Entwicklung vor Augen führen.
Den Faktoren der wirtschaftlichen Entwicklung wohnt eine große Kraft der
Rückwirkung auf die Existenz und das Vorankommen des Einzelnen, sogar ein Zwang
zilr Ein- und Unterordnung inne.
Die gleiche Kraft aber und der gleiche Zwang besteht auch gegenüber der
Regierung; für jedes rationelle wirtschaftspolitische System bildet die erste Voraus
setzung, daß es die Summe der Konsequenzen der jeweiligen Zeitverhältnisse dar
stellt, daher mit logischer Folge aus der neuzeitlichen Entwicklung und ihrem End
ziel hervorgeht.
Wohin nun zielt die heutige Entwicklung? Wohin die wirtschaftliche Willens-
richtung? Was ist heute das Problem des öffentlichen Lebens?
Zum Wesen der modernen Entwicklung gehört: Der Zug ins Große, Groß
betrieb, Großverkehr, Großstadt, Großbank; Massenfabrikation, Massentransport,
Massenkonsum, die Wirksamkeit der Massen kraft, namentlich auch in Ge
stalt des Antriebs des öffentlich politischen Lebens, Vervollkommnung der Organi
sation: der Arbeit, des Verkehrs, des Kredits, der Vertretung der Klasseninteressen,
endlich der Verstaatlichung und der Jnternationalisierung.
Aus den epochaleil Umwälzungen der letzten Jahrzehnte sind die neuartigen
Probleme zumal im Zusammenhang mit der Massenbewegung und der zu
nehmenden weltwirtschaftlichen Verflechtung hervorgewachsen. Die treffende
Lösung finden sie nur, wenn die Regierung den eben aufgezählten Entwicklungs
faktoren nachgeht und die ihnen gebührende Beachtung schenkt.
Die wirtschaftliche Entwicklung verläuft unter periodenweise wiederkehrenden
Schwankungen, anderseits unter sozialen Neubildungen und Kämpfen. Wo daher die
Regierung in den 70er Jahren zuerst einzugreifen hatte, das waren einesteils die
Klassenkämpfe, die Massenbewegung, insbesondere die Arbeiter- und Agrarbewegnilg,
andernteils die fortschreitende internationale Verflechtung. In diesen beiden Fragen
gipfelte das Verhältnis der Regierung zum Wirtschaftsleben. Es mußte genauer
präzisiert werden das Verhältnis l. der Konkurrenzfreiheit zur staatlichen