Die kommunale Vermögengbesteuerung in Hessen. 23
man von den unendlich verschiedenen persönlichen Verhältnissen der
Steuerzahler ganz absieht, ja sie bewußtermaßen ignoriert.
Man kann die Sache drehen und wenden, wie man will, man
kommt nicht um die grundsätzliche Forderung herum, daß auch in
der Gemeindebesteuerung das Moment der Besteuerung nach der
Leistungsfähigkeit neben dem des Interesses beachtet wird. Man
wird einwenden, daß wir ja neben den Realsteuern die ausschließlich
nach der Leistungsfähigkeit bemessene Einkommensteuer haben. Ge
wiß, aber das genügt eben nicht. Auch in der Realbesteuerung muß
der Kern des obersten Steuergrundsatzes enthalten sein. Diejenigen
hessischen Politiker, die jetzt so lebhaft gegen den Schuldenabzug und
für die vorwiegende Anerkennung des Grundsatzes der Steuerzahlung
nach dem Gesichtspunkte von Leistung und Gegenleistung eintreten,
möchte ich daran erinnern, daß ihre Ansichten nicht immer so schroff
waren, wie heute. Zu den überzeugten Befürwortern der neuen Regie
rungsvorlage gehört in erster Linie der Ausschußreferent, der Abge
ordnete für Gießen, Herr vr. Gutfleisch, derselbe, der geneigt ist, dem
Gegner eine Neigung zum theoretisierenden Kritisieren zu unterstellen
und seine Gegenvorschläge für undurchführbar zu halten. Ich will
nicht untersuchen, ob man diesem Staatsmann in seiner lang
jährigen und, wie ich ohne Hintergedanken sagen möchte, überaus
segensreichen Tätigkeit in Staat und Gemeinde nicht gelegentlich
auch etwas „graue Theorie" nachweisen kann. Wenn ich recht unter
richtet bin, gehört Herr Gutfleisch zu denjenigen Stadtverordneten
der Stadt Gießen, die seinerzeit die Aufhebung des Oktrois auf
Mehl- und Backwaren durchgesetzt haben. Diese Maßregel hat be
kanntlich nicht das Mindeste genützt, wohl aber die Finanzen Gießens
geschädigt. Was aber den Schuldenabzug und die Grundsätze der
Kommunalbesteuerung anbetrifft, so dachte Herr Dr. Gutfleisch
früher weit weniger prinzipiell. Ich habe die Verhandlungen
der zweiten hessischen Kammer aus dem Jahre 190k durchgeblättert
und fand dort folgenden Passus in einer Rede desselben Parla
mentariers: „Es ist auch heute gesagt worden, man müßte au die
Spitze stellen den Grundsatz von Leistung und Gegenleistung, und
anderseits ist gesagt worden, der Grundsatz sei unberechtigt, man