Full text: Die Steigerung der Produktivität der deutschen Landwirtschaft im neunzehnten Jahrhundert

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sondern anch die Wind- und kleineren Wassermühlen sind mit der Zeit immer 
mehr von der Grossmüllerei verdrängt worden. Was diese Umwälzung 
aber für den Getreidekonsum zu bedeuten hat, erhellt daraus, dass die 
Mehlausbeute bei Handmühlen 95—100 °/ 0 , bei den alten Windmühlen 
80—90%, in den modernen Grossmühlen dagegen nur 60—70% beim 
Roggen und 70—80% beim Weizen beträgt. 
Es ist nun gar keine Frage, dass es für die Grossmüllerei ein leichtes 
wäre, die Mehlausbeute auf 80 und 90 % zu erhöhen, nur könnte sie dann 
selbstverständlich nicht so feine Mehle hersteilen, wie sie es jetzt tut, 
und zwar tut aus triftigen Gründen; denn erstens hat sich die Lebens 
haltung der Bevölkerung sehr gehoben und wird viel mehr feineres Brot 
verlangt, und zweitens herrscht auch für die Abfälle der Müllerei, das 
Futtermehl und die Kleie bezw. Schale, bei dem grossen Futterbedarf der 
heutigen Viehhaltung eine so starke Nachfrage, dass für die Grossmüllerei 
kein Grund vorliegt, von ihrer bisherigen Praxis abzugehen. Dabei bleibt 
dann aber eben die Tatsache bestehen, dass heute zur Herstellung des 
selben Quantums Mehl 25—30 % mehr Getreide verbraucht wird als vor 
100 Jahren. 
An zweiter Stelle kommt in Betracht der Umstand, dass heute, zumal 
bei den niedrigen Getreidepreisen, sehr viel Brotgetreide in Form von 
Körnern und Schrot direkt an das Vieh verfüttert wird, viel mehr jeden 
falls als vor 100 Jahren, wo, wie wir noch sehen werden, die Ernährung 
des Viehs eine sehr kärgliche war. Nach Dade 1 ) würde die Produktion 
Deutschlands auch gegenwärtig noch zur Deckung des einheimischen Be 
darfs an Brotgetreide genügen, wenn nicht ein so beträchtlicher Teil der 
Ernte — %—% beim Roggen — direkt an Vieh verfüttert würde. Dade 
schreibt wörtlich: „In den Jahren 1894/95—1898/99 sind nur 8 Prozent 
des Roggenbedarfs vom Auslande bezogen, dagegen hat das Ausland 
30 % des Weizenbedarfs geliefert. Fasst man Roggen und Weizen zu 
sammen, so sind ca. 15 % des Bedarfs an Brotkorn vom Auslande gedeckt. 
Etwa 1300000 Tonnen Weizen und 700000 Tonnen Roggen, zusammen 
2 Milk Tonnen Brotkorn werden in Deutschland mehr ein- als ausgeführt. 
Dabei ist zu beachten, dass %— x / 4 der deutschen Roggenernte, ca. 2 Mill. 
Tonnen, an das Vieh verfüttert wird, so dass bei einer mittleren Ernte 
überhaupt kein Brotkorn eingeführt zu werden brauchte, wenn das ver 
fütterte Brotgetreide für die Ernährung der Bevölkerung freigemacht 
werden könnte.“ Die Schlussfolgerung des letzten Satzes ist allerdings 
nicht gerechtfertigt. Um die Mehreinfuhr voii 2 Milk Tonnen Brotgetreide 
überflüssig zu machen, würde es nicht genügen, die 2 Milk Tonnen Roggen, 
die man jetzt an das Vieh verfüttert, für den menschlichen Konsum frei 
zumachen, sondern man müsste zugleich die Bevölkerung veranlassen, statt 
jener 1300000 Tonnen Weizen, die sie jetzt aus dem Auslande bezieht 
und verbraucht, die entsprechende Menge von inländischem Roggen zu 
konsumieren. Die Menge Weizen, die verfüttert wird, ist jedenfalls bei 
0 w. Koscher, Nationalökonomik, des Ackerbaues. IS. Aufl. bearbeitet von H. Dade. 
Stuttgart und Berlin 1903. Seite 765.
	        
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