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Ubergangsstadium schließlich zur vollen Sonntagsruhe führen
wird. Da freiwillige Vereinbarungen der Kaufleute niemals lange
gehalten werden, so ist eine gesetzliche Regelung am Platze.
Die Gewerbeordnungsnovelle vom Jahre 1891 bedeutet, so
weit die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe in Betracht kommt,
nur ein Kompromiß. Aus den Verhandlungen, die damals im
Reichstage stattfanden, geht klar hervor, daß die Regierung eine
möglichst vollständige Sonntagsruhe haben wollte, und von der
preußischen Regierung muß lobend hervorgehoben werden, daß
sie, soweit es in ihrer Macht stand, wenigstens eine Beschäftigung
bis in den tiefen Nachmittag hinein zu verhindern versucht hat.
13 Jahre sind seitdem verflossen, die als genügend lange Ver
suchszeit gelten können. Der Versuch der Teilsonntagsruhe ist ge
lungen. Auch die ganze Sonntagsruhe wird gute Ergebnisse
zeitigen; sie wird zu größerer körperlicher, sittlicher und geistiger
Gesundheit aller Glieder des deutschen Kaufmannsstandes bei
tragen. Denn den Einwand, daß die größere Freiheit am Sonn
tage die jungen Leute zur Völlerei und zu Unfug verleiten werde,
kann man nicht ernst nehmen. Ist es doch eine bekannte Tatsache,
daß sich gerade diejenigen Menschen den verwerflichsten Genüssen
hingeben, deren Sinn und Herz durch lange angestrengte Arbeit
abgestumpft ist. Die Angestellten und die selbständigen Kaufleute,
die bereits heule sich voller Sonntagsruhe erfreuen, sind doch wahr
lich nicht schlechter als ihre in dieser Hinsicht weniger begünstigten
Kollegen.
Grundsätzlich wird natürlich der Einwand gemacht, der Handel
vertrage keinen polizeilichen Eingriff, mit der Hemmung der freien
Bewegung werde ihm der Lebensnerv abgeschnitten. Noch immer,
wenn es sich um Schutzgesetze handelte, haben wir diesen Einwand
gehört, und noch immer hat er sich als unberechtigt erwiesen. Die
Sonntagsruhe kommt nicht nur den Angestellten, sondern auch
dem Prinzipal zustatten. Ist sie einmal eingeführt, so werden
sich die Gegner von heute in Freunde wandeln.