Die Untersuchung der Sämereien.
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7. Gehaltsspielraum (Latitüde). Der zulässige Gehaltsspielraum ist in No. 12
der anfangs mitgeteilten Vereinbarungen des Verbandes landw. Versuchs-Stationen
angegeben. Die Art einer Entschädigungsberechnung ergibt sich aus folgendem
Beispiel: Ist bei einem Samen im Gebrauchswert ein Gehaltsspielraum von 5 °/ 0
als zulässig erachtet worden, d. h. werden z. B. von 83,5 °/ 0 garantiertem Gebrauchs
wert nur 79,32 °/ 0 (also 4,18 °/ 0 weniger) gefunden, so muß sich der Käufer, ohne
Schadenersatz beanspruchen zu können, zufrieden geben. Fehlt mehr, also etwa
6 °/ 0 , oder wenn statt 83,5 °/ 0 nur 77,5 °/ 0 vorhanden sind, so muß Vergütung ein-
treten und in diesem Falle nach vielfachen Kontraktsbestimmungen für den ganzen
Fehlbetrag.
Ist der vereinbarte Preis = 50 M. für 1 Ztr. gewesen, so kostet nach der
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Garantie eine Einheit Gebrauchswert ^ „ = 0,597 II., also sind vom Preise abzu
ziehen 0,597 x 6 = 3,58 M.; oder wenn die zugestandenen 4,18 °/ 0 Latitüde auch
in größeren Differenzfällen gelten, kann 0,597 (6,00 — 4,18) = 1,09 M. vom ver
einbarten Preise abgezogen werden.
Was die Untersuchung auf Seide (Cuscuta, Kleeseide oder Flachsseide) an
belangt, so bestimmen hierfür die technischen Vorschriften des Verbandes landw.
Versuchs-Stationen i. D. E., daß die ganze eingeforderte Menge, also 50 g für
Bastardklee, Weißklee usw., 100 g für Rotklee, Luzerne usw. auszulesen ist, und
zwar nicht nur das Aussiebsei, sondern auch der Rückstand. Hinsichtlich des
Gehaltes an Seide lauteten frühere Bestimmungen dahin, daß ein Gehalt an
Cuscuta bis zu 10 Körnern für 1 kg in einer als „seidefrei“ verkauften Ware einen
Abzug von 5 °/ 0 , ein Gehalt von 11—30 Körnern einen Abzug von 10 °/ 0 des Kauf
preises bedingen, und mehr als 30 Körner für 1 kg den Käufer berechtigen soll,
die Ware zur Disposition zu stellen.
Die Kontrollverträge der landw. Kreisvereine im Königreich Sachsen be
stimmen, daß bei Vorhandensein von einem Seidesamen in 100 g einer als seidefrei
garantierten Saatware diese Ware zurückgegeben werden kann, sobald die Unter
suchung einer zweiten Probe den ersten Befund bestätigt. Seidekapseln werden,
da sie oft taube, unausgebildete Samen enthalten, meist als ungefährlich bezeichnet.
Doch hat Kinzel nachgewiesen, daß auch die unreifen Samen der Kapseln oft
regelrecht keimen. Im Untersuchungsbericht sind jedenfalls die Seidekapseln immer
besonders aufzuführen. Im übrigen sei auf einen, die Seidefrage eingehend er
örternden Aufsatz von Hiltner 1 ) hingewiesen.
') Prakt. Blätter f. Pflanzenbau u. Pflanzenschutz 1903, 1, 50, 68.