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schuldeten Rußland vorübergehend dadurch teilweise: getragen,
daß der russische Staat seine Eisenbahnfrachttarife herab
setzte und auch der russische Bauer seinen Roggen unter dem
Druck des Steuererhebers dem Getreidehändler billiger geben
mußte. Im Süden Deutschlands kamen die Bismaroksohen
Zölle von Anfang an ganz zur Geltung, während dies in den
ostelbischen Provinzen Preußens, wie schon bemerkt, vor
Aufhebung des Identitätsnachweises nicht vollständig der
Fall war.
Auch bei der Gerste war der Inlandpreis unter den Bis
maroksohen Zöllen stets um den ganzen Zollbetrag höher als
der Weltmarktpreis, vor allem, weil die deutsche Brauindustrie
und die deutschen Viehzüchter die ausländische Gerste nicht
entbehren können.
Bei Hafer stieg der Preis sogar noch höher als der Zoll
betrag infolge des großen Haferbedarfs der Armee. —
Den Getreidezoll haben wir also fast
vollständig getragen. Das hindert allerdings die
bündlerische Agitation nicht, unentwegt weiter zu behaupten,
den Zoll trägt das Ausland. Deshalb sei hier daran erinnert,
daß auch Dr. Rußland, der Gelehrte des Bundes der
Landwirte, 1887 erklärte 1 ): „Die Regel wird also sein, daß
der Importeur auswärts den vollen Kurs zahlt und im Inland
diesen mit dem Zollaufschlag fordert.“ Und Freiherr von
Getto, der bekannte Führer der bayrischen Agrarier,
machte am 5. März 1895 im Deutschen Landwirtschaftsrat * 2 )
folgendes interessante Geständnis: „Es hat eine Zeit gegeben,
in der man nicht den Mut hatte, offen zu sagen, daß die
Getreidepreise verteuert werden sollen. Es ist nicht lange
*) Ruh 1 and, Zeitschrift des Landwirtschaftlichen Vereins in Bayer 11
1887. S. 619.
2 ) Archiv des Deutschen Landwirtsohaftsrates 1806, S. 166.