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gutheißen. Wie diese Macht in einem modernen Staate benutzt wer
den kann, werden wir noch weiter unten sehen; vorläufig mag die
Bemerkung genügen, daß die Ausübung dieser Macht Sinn und Inhalt
der Demokratie ist.
Wenn ich von dem demokratischen Staate spreche, so habe ich
keine formlose und ununterschiedene Volksmasse im Auge. Die Philo
sophen des Individualismus, deren Haupt Bentham war, und die heute
in den Befürwortern der direkten Gesetzgebung durch das Volk
mittels Referendum und Initiative Vertreter haben, betrachteten
den Staat als den Inbegriff von gleichmäßig funktionierenden Ein
heiten. Der konsequente Sozialist kann diesen Standpunkt kaum ein
nehmen; denn für ihn ist der Staat aus funktionell verschiedenen poli
tischen Organen zusammengesetzt. Es ist zwischen den Empfindungs
und Willenszentren, den Zentren, die fühlen, und denen, die denken,
zu unterscheiden, und diese Einteilung der Funktionen wird in
einem wirklichen Staate auch entsprechend berücksichtigt. In den
Begriffen Herrscher und Untertan, obgleich sie an vergangene politi
sche Kämpfe erinnern und hiervon einen verletzenden Beigeschmack
erhalten haben, kommt nichtsdestoweniger ein tatsächlicher Unter
schied zum Vorschein, der immer in einem Staate vorhanden sein muß.
Solange die Bezeichnungen Souverän und Untertan noch ein persön
liches Verhältnis ausdrückten, schloß es die persönliche Hörigkeit ein,
und die Geschichte der Demokratie ist für diese Zeiten die Geschichte
von der persönlichen politischen Befreiung. Heute ist diese Tatsache
eine Quelle politischer Irrtümer geworden. In einer Demokratie be
trifft die Unterscheidung von Souverän und Untertanen die Funk
tionen und nicht die Persönlichkeit, sie bezeichnet nicht mehr eine
soziale Standesgliederung, auf keinen Fall bedeutet sie aber einen
durch Geburt vererbten Unterschied. Differenziert wird nur zwischen
dem Ganzen und den Teilen. Wer die Regierungsfunktionen erfüllt,
durch die der Wille des Ganzen redet und sich bekundet, übt die
höchste Staatsaufsicht über den Einzelnen, und die Souveränität des
Ganzen kann nur wirksam sein, wenn ihre Ausübung bestimmten
Organen in der Gesellschaft übertragen wird. Einst pflegte diese
Tätigkeit ausschließlich von Familien, „den Priestern und Leviten“,
besorgt zu werden, heute wird sie von den Vertretern der öffentlichen
Meinung ausgeübt, und hierin erschöpft sich das Ergebnis des histori