Full text: Einführung in die Kriegswirtschaftslehre

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riert. Die Requisition wird sich in diesem Falle 
dem normalen sozialen Leben eingliedern und es 
umgestalten. Nach einiger Zeit wird sich alles 
dem Requirieren angepaßt haben. Wir müssen 
die Requisition einer operierenden Armee, die im 
allgemeinen auf soziale Gesichtspunkte schwer 
Rücksicht nehmen kann und so gut wie aus 
schließlich die militärischen Zwecke im Auge 
haben wird, von jener im Rücken der Armee 
trennen, die sehr wohl auf die Wirkungen Rück 
sicht nehmen kann, welche die Requisition aus 
übt. Es kann z. B. eine bestimmte Quote der 
Naturalien requiriert oder eine Art progressiver 
Requisition eingeführt werden, derart, daß die Leute, 
welche größere Magazine haben, eine größere 
Quote herzugeben verpflichtet werden. 
Es kann auch ein Minimalvorrat der Re 
quisition entzogen bleiben, kurzum es wäre 
denkbar, daß man in den einer geordneten Ver 
waltung unterliegenden Landesteilen — seien sie 
nun feindliche oder solche des eigenen Landes 
•— eine Art Requisitionsordnung einführt, die der 
Steuerordnung zu vergleichen wäre. Soweit gegen 
Schein requiriert wird, wäre diese Requisition als 
Naturalzwangsanleihe zu charakteri 
sieren. Im allgemeinen wird es verabsäumt, in 
Friedenszeiten die eventuelle Requisitionsordnung 
systematisch auszuarbeiten, so daß die Requisition 
meist mehr Störungen erzeugt, als unbedingt 
erforderlich ist. Obgleich man eine Requisitions 
lehre in ähnlicherWeise wie die Steuerlehre aus 
gestalten könnte, ist dies bis jetzt unterblieben. 
Selbstverständlich müßte die theoretische Volks 
wirtschaftslehre, wenn sie vollständig ausgebaut 
wäre, auch diese Dinge von vornherein in sich 
enthalten, das heißt, die allgemeinen Sätze liefern, 
die auf diesen konkreten Fall anwendbar sind, 
aber sie ist zu einem solchen Grade der Allge 
meinheit noch nicht gelangt, sondern klammert 
sich meist noch recht eng an Abstraktionen aus 
bestimmten Friedenserscheinungen. 
Wenn man die Lehre von der unmittelbaren 
Realienbeschaffung ausbaut, muß man auch fest 
zustellen suchen, worin sich die unmittelbare 
Realienbeschaffung von der Beschaffung durch 
Kauf unterscheidet. Zunächst würde man wohl 
den Unterschied darin erblicken, daß die requi 
rierten Güter in dem einen Fall mit in dem 
anderen ohne Entschädigung den Leuten ab 
genommen werden, wenn man nicht bei der 
Unmittelbaren Beschaffung Quittungen als Zahlung 
gibt. Man kann aber Realien durch Kauf be 
schaffen und dennoch keine Entschädigung zahlen. 
Dies ist dann der Fall, wenn man das Geld, mit 
dem man die Waren kauft, vorher durch Kontri 
butionen beschafft hat. Ja man kann das so aus- 
Segebene Geld nochmals mit Hilfe einer Kontri 
bution einheben und den Rest der Realien dafür 
beschaffen. Wir sehen hier eine Analogie zur An- 
•eihenzirkulation, die wir oben vorgeführt haben. 
Wo dort von Anleihe gesprochen wird, haben wir 
nun von Kontribution zu sprechen. Im allgemeinen 
wird sich wohl die Sache so abspielen, daß man 
den Städten die Kontributionen auferlegt und in 
den Agrargebieten das so erhaltene Geld ausgibt, 
aber es ist auch der Fall denkbar, daß man das 
Geld dort ausgibt, wo man es requiriert hat. Esmüßte 
eingehend untersucht werden, wie die unmittelbare 
Requisition wirkt, wie die Güterbeschaffung durch 
Kauf nach vorher vorgenommener Kontribution. 
Vor allem liegen wesentliche psychologische Un 
terschiede vor. Im allgemeinen macht man wohl 
die Beobachtung, daß bei einer Bevölkerung, die 
sich einigermaßen neutral verhält, die Beschaffung 
der Realien durch Geld viel für sich hat. Nur 
nebenbei möchte ich darauf hinweisen, daß noch 
ein ganz anderes Moment die Kontribution nahe 
legt. Die in Feindesland einmarschierende Armee 
erhält Geldsorten mit, welche im eigenen Lande 
zirkulationsfähig, der feindlichen Bevölkerung aber 
unbekannt sind und daher vielfach nicht gerne 
genommen werden. Die Kontribution liefert Landes 
geld, was die Naturalienbeschaffung sehr zu er 
leichtern pflegt. Natürlich wäre auch der Fall 
denkbar, daß ein Armeekommando zwangsweise 
einen Geldwechsel in großem Stile durchführt. 
Mir ist nicht bekannt, ob so etwas je vorgekommen 
ist, zweckmäßig könnte es unter Umständen wohl 
sein. Insbesondere könnte durch die so beschafften 
feindlichen Zahlungsmittel auch den eigenen Sol 
daten das einheimische Geld gegen feindliches 
umgetauscht werden. Wie mir ein serbischer Ge 
währsmann mitteilte, pflegt nach einer Schlacht das 
Konsumbedürfnis der Offiziere und der Mannschaft 
ein gesteigertes zu sein. Nichts sei dem Manne 
dann lästiger, als die Nötigung zu sparen; er will 
sich, was ihn freut, beschaffen können. Nun kann 
man natürlich durch eine Verordnung die Bevöl 
kerung zwingen, jede beliebige Geldsorte anzu 
nehmen, man riskiert aber damit einen Teil des 
Vorteils, der eben darin besteht, daß man die ge 
wohnten Verkehrsformen möglichst aufrecht erhält. 
Insbesondere dem einzelnen Mann, der sich irgend 
welche Delikatessen oder sonstiges einkaufen will, 
ist es sehr erwünscht, wenn er ohne Hin- und Wider 
rede erhalten kann, was er wünscht. Uebrigens 
wurden ähnliche Beobachtungen auch in anderen 
Kriegen gemacht Der Sinn für die Zukunft ist beim 
Soldaten meist sehr herabgesetzt, der Augenblick 
gilt ihm alles, und so besteht wohl einige Wahr 
scheinlichkeit dafür, daß die an die Truppen aus 
zuzahlenden Gebühren zum größten Teil konsu 
miert werden. Nur die von vornherein für die 
Familien bestimmte Quote der Gebühren verbleibt 
der Inlandszirkulation. 
Diejenigen, welche mit Geldrückströmungen 
aus dem Operationsraum rechnen, müßten diesem 
Problem eingehende Aufmerksamkeit zuwenden. 
Eine Form der Beschaffung ausländischen Geldes 
bleibe übrigens nicht unerwähnt, zumal sie ge 
legentlich vorgekommen ist; der vorrückende 
Staat kann feindliches Zeichengeld selbst erzeugen, 
seien es nun Noten oder metallisches Zeichengeld.
	        
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