Full text: Bericht der Zentralstelle zur Beschaffung der Heeresverpflegung für die Zeit bis zum 30. April 1916

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Fällen jedoch, in denen der Besitzer Gerste zulässigerweise zu einem höheren Preise als dem 
Höchstpreise erworben hatte, mußte der Einstandspreis berücksichtigt werden. Die grundsätzlichen 
Fragen, inwieweit dem Besitzer Zinsen, Lagerkosten und Ersatz für Schwund zu zahlen seien, 
wurden durch Verständigung mit dem Königlich Preußischen Kriegsministerium geklärt. Indessen 
ergaben sich im Einzelfalle bei der Festsetzung noch besondere Schwierigkeiten. Am 12. März, 
dem Tage, mit dessen Beginn die Gerste beschlagnahmt wurde, befand sich sehr viel ausländische 
Gerste in Deutschland, für die erheblich höhere Preise (bis 650 M. für die Tonne) als der 
damalige Höchstpreis (270 M. bis 295 M. für die Tonne) gezahlt waren. Auch diese Gerste 
war abzuliefern. Es bedurfte hierbei eingehender Feststellungen, ob derjenige, der ausländische 
Gerste lieferte, den Preis, den er verlangte, bezahlt hatte. Gehörte diese Nachprüfung auch 
zunächst zu den Aufgaben derjenigen Stellen, denen die Gerste überwiesen wurde, also im wesent 
lichen zu denen der Proviantämter, so bedurfte es doch auch sehr oft des Eingreifens der Zentral 
stelle, um eine Klärung herbeizuführen. 
Der Einstandspreis war fernerhin bei inländischer Gerste zu berücksichtigen, die von den 
Besitzern zu einem höheren Preise als dem Höchstpreise erworben war. In einem derartigen 
Erwerb lag kein Verstoß gegen die Höchstpreisbestimmungen, weil bis zum 19. Dezember 1914 
für die Gerste, die mehr als 68 kg pro Hektoliter wog, keine Höchstpreise festgesetzt waren, und 
solche auch später nicht für Saatgetreide galten, das nachweislich aus landwirtschaftlichen Be 
trieben stammte, die sich in den letzten zwei Jahren mit dem Verkauf von Saatgetreide 
befaßt hatten. 
Alle die Verteilung von Gerste betreffenden grundsätzlichen Fragen legte die Zentralstelle 
ihrem Beirat vor, der sich mit ihnen in einer Reihe von Sitzungen befaßte. Soweit sich dieser 
zur Entscheidung nicht für zuständig erachtete, unterbreitete die Zentralstelle diese Zweifelsfragen 
dem Reichsamt des Innern, das die Zentralstelle u. a. erinächtigte, Gerste in begrenztem Um 
fange Malzfabriken zwecks Herstellung von Malzextrakt zu pharmazeutischen Zwecken, und 
Brennereien zum Brennen von Kartoffeln freizugeben. Letzteres erwies sich insbesondere mit 
Rücksicht auf die bei der Reichsstelle für Kartoffelversorgung übrig gebliebenen Kartoffelmengen 
als erforderlich. 
Der weitaus größte Teil der Gerste wurde bestimmungsgemäß zur Streckung der Hafer 
vorräte verwandt. Denjenigen Kommunalverbänden, in denen ein dringender Bedarf nach 
Pferdefutter bestand, und denen nicht genügend Hafer geliefert werden konnte, wurde Gerste 
überwiesen. In den städtischen Kommunalverbänden machte sich zwar anfangs ein Widerstand 
gegen die Uebernahme von Gerste geltend, da diese im allgemeinen wesentlich teurer war als 
Hafer und auch eine besondere Behandlung vor der Verfütterung verlangte (Schroten usw.), 
mit der die städtischen Pferdebesitzer nicht genügend vertraut zu sein schienen. Es gelang in 
dessen in allen Fällen, die Kommunalverbände von der Notwendigkeit der seitens der Zentralstelle 
getroffenen Maßnahmen zu überzeugen. 
Alle Mengen an Gerste, die nicht dringend für andere Zwecke gebraucht wurden, 
wurden den Proviantämtern überwiesen. Es zeigte sich jedoch, daß damit der Bedarf der Heeres 
verwaltung noch nicht gedeckt werden konnte; um weitere Mengen heranzuziehen, wurde daher 
die Bundesratsverordnung vom 9. März 1915 durch diejenige vom 17. Mai 1915 (Neichs-Gesetzbl. 
S. 282) abgeändert. Brauereien, denen bisher gestattet war, Gerste in gewissem Umfange zu 
verarbeiten, durften von nun an überhaupt keine Gerste mehr verarbeiten und mußten die in 
ihrem Besitz befindliche Gerste abliefern. Durch diese Bundesratsverordnung wurde ferner 
angeordnet, daß nochmals eine Bestandsaufnahme der Gerste in Brauereien und gewissen land 
wirtschaftlichen und gewerblichen Betrieben stattzufinden habe. 
Nachdem die Ergebnisse dieser Bestandsaufnahme vorlagen, begann die Zentralstelle 
danüt, auch diese Mengen zu verteilen. Es liefen jedoch bald sowohl bei der Zentralstelle sowie 
auch sonst bei Reichs- und Landesbehörden zahlreiche Anträge ein, in denen die Brauereien und 
Mälzereien auf das dringendste baten, ihnen die in ihrem Besitz befindliche Gerste zu belassen. 
Sie machten geltend, daß sie Gerste neuer Ernte erst längere Zeit nach der Ernte verarbeiten
	        
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