Full text: Zur wirtschaftlichen Förderung des Handwerks

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so stark in Anspruch genommen. Ferner werden 
die pausen sich nicht in einer Regelmäßigkeit ein 
fügen lassen. Sie brauchen bei Handwerkslehr, 
fingen auch nicht diesen Umfang zu haben, da der 
Lehrling ohnehin oft im Freien arbeitet und oft 
Ausgänge zu besorgen hat, wodurch er sich von 
dem regelmäßig an den Fabrikraum gebundenen 
Fabrikarbeiter unterscheidet. Alle diese Umstände 
im Zusammenhang mit den strengen Vorschriften 
der Gewerbeordnung über die Pflicht des Lehr 
herrn, die Gesundheit seines Lehrlings nicht zu 
schädigen, lassen die beabsichtigten Beschränkungen 
des Handwerkers überflüssig erscheinen. Der Hand 
werksmeister muß demnach sowohl in der Be 
stimmung des Zeitpunktes, an dem er seinen er 
ziehlichen Pflichten gegen den Lehrling genügen 
will als auch in der Auswahl des Ortes — sei 
es nun in der Werkstatt, die frische Luft u. s. f. — 
an dem er ihm die notwendigen Fachkenntnisse 
geeignet vermitteln kann, unbeschränkt sein. 
Lin besonderer Nachteil würde für den Lehr 
herrn damit verknüpft sein, wenn er seinen Betrieb, 
der doch in der Hauptsache nicht Massenartikel, 
sondern Individualwaren herstellt, genau nach dem 
Beginn und der Beendigung der Arbeitszeit und 
pausen einrichten müßte. Das ist ohne erhebliche 
Nachteile für sein ersprießliches wirken gar nicht 
möglich, weil bei ihm nicht die Maschine die 
Hauptarbeit leistet, wie es in der Fabrik der Fall 
ist. Die Maschine kann vermöge ihres Mechanis- 
mus auf einen wink arbeiten und ruhen, ohne 
die Produktion zu belästigen, nicht aber der ge 
legentlich unterstützende Motor. Ls ist zu bedenken, 
daß mit dem Schlagen der Uhr die Lehrlinge 
einfach die Werkstätte verlassen könnten und sich 
nicht weiter um die Arbeit zu kümmern brauchten. 
Ls käme gar nicht selten vor, daß ein Handwerks 
meister, der vielleicht für den Abend noch eine 
Oualitätsware abzuliefern hätte, in der Herstellung 
der Ware durch das Weggehen der Lehrlinge 
stark behindert wäre. Anderseits hätte der Lehr 
ling selbst wieder Schaden, weil er die endgültige 
Fertigstellung der Arbeit, an der er bisher beteiligt 
war, nicht abwarten darf, wodurch die Freude an 
dem Lrfolge seiner Arbeit beeinträchtigt wird. 
Dabei muß man noch bedenken, wie sehr es bei 
solchem persönlichen Schaffen auf das Arbeiten in 
einem Zug, auf Disposition usw. ankommt. Bei 
der Maschinenarbeit spielen alle diese Umstände 
eine ganz unbedeutende Rolle. 
Unannehmbar ist schließlich für das Bäcker- 
und Konditorgewerbe das beabsichtigte ver 
bot der Frauenarbeit vor morgens 6 Uhr. Denn 
die Mehrzahl der Bäckereien hat ein Interesse 
daran, das Gebäck vor 6 Uhr früh auszutragen. 
Besonders gilt das in Industriegegenden, in denen 
das Arbeiterpublikum um 6 Uhr schon mit Bröt 
chen versehen sein muß. 
Die aufgeführten Hauptbedenken der beteiligten 
Handwerkskreise verbieten die Unterstellung der 
Handwerksbetriebe mit Motoren, in denen 5—10 
Arbeiter beschäftigt werden, unter die Arbeiter 
schutzbestimmungen der R.-G.-G. Das Handwerk 
hat ein großes Interesse daran, die bisher noch 
geltende Bekanntmachung über die Beschäftigung 
von jugendlichen Arbeitern und Arbeiterinnen in 
Werkstätten mit Motorbetrieb vom 13. Juli 1900 
in Kraft zu erhalten. 
Im Sinne dieser Ausführungen sprach sich 
auch der Kammertag 1910 in Stuttgart aus.
	        
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