Die Kampfmittel des wirtschaftlichen Imperialismus.
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Kampfzoll wurde von Frankreich in der Form des Doppeltarifes
besonders scharf ausgebildet. Der Minimaltarif enthält den unent
behrlichen Schutzzoll, der Maximaltarif aber wird ohne Rücksicht
auf die Bedürfnisse der fremden Volkswirtschaft festgesetzt. Der aus
ländische Mitbewerber soll durch den Schaden an seiner Volkswirt
schaft zur Nachgiebigkeit bestimmt werden. Von einem Zollkriege
im technischen Sinne kann jedoch nur dann gesprochen werden, wenn
durch die Höhe der Zollsätze oder andere Schikanen die Einfuhr be
stimmter Artikel derart gehemmt wird, daß der ausländische Mitbewerber
vom inländischen Markt geradezu ausgeschlossen bleiben soll
(Kautsky, Handelspolitik und Sozialdemokratie 24). Diese Absicht
der Schädigung feindlicher Volkswirtschaft, um sie zu Zugeständ
nissen zu bringen, wird schon an sich als Feindseligkeit empfunden,
besonders aber dann, wenn der bekämpfte Staat gerade auf diese Aus
fuhr infolge seiner Produktionsart, seiner geographischen
Lage oder sonstwie angewiesen ist.
Wir haben Beispiele für diese Art des Zollkrieges, bei der nicht mehr
der Schutz der heimischen Landwirtschaft, des Gewerbes oder der Industrie,
sondern geradezu die Schädigung der ausländischen Volkswirtschaft zur
wirtschaftlichen Ausdehnung eines anderen Staates dienen sollte. Im
Zollkriege Frankreichs gegen Italien von 1889 bis 1898 wurde Italiens
Ausfuhr an Weinen und Südfrüchten derart empfindlich getroffen, daß
es an die Seite des Zweibundes gedrängt wurde. Seine Ausfuhr, die 1881
bis 1885 im Jahresdurchschnitt noch 371 Millionen Franken betrug, sank
1891—1895 auf 129 Millionen herab; aber auch die Einfuhr Frankreichs
nach Italien sank von 187 auf 124 Millionen herab. Noch stärker wirkte
die Sperrung der österreichisch-ungarischen Grenzen im Jahre 1906, die
den natürlichen Weg der serbischen Viehausfuhr, insbesondere der
Schweineausfuhr donauaufwärts unterband. Selbst im österreichisch
serbischen Handelsvertrag vom 1. September 1908 war die Möglichkeit
der Beschränkung der Vieheinfuhr durch veterinär polizeiliche
Maßregeln offen geblieben. Serbien wurde zu umfangreichen Investitionen
für die Ausfuhr auf dem Seewege in Saloniki genötigt. Deutschland hielt
durch seine Absperrung vor verseuchtem Vieh geradezu jegliches Vieh
aus bestimmten Staaten fern. Die Einfuhr frischen Fleisches wurde
an solche veterinärpolizeiliche Bedingungen geknüpft, die es den meisten
Staaten unmöglich machten, nach Deutschland Fleisch zu bringen. Es
kamen tatsächlich nur Dänemark, die Niederlande, Österreich und Ruß
land in Betracht (Kautsky, Handelspolitik und Sozialdemokrate 80).
Ähnlich wirken als Mittel wirtschaftlicher Gewalt die Ausfuhr
prämien, mögen sie offen oder versteckt z. B. durch Zollrückvergütungen
gewährt werden. Diese Unterstützungen sind Gewaltmittel, weil die
Zurückdrängung oder Vernichtung der Konkurrenz im Auslande dadurch