9
Der sogenannte Wert unö Sie Währungspolitik.
In der bislang allgemein üblichen Behandlung der Währung wird
das Verhältnis des Geldes zu den Waren ungenügend berücksichtigt. Die
Währungspolitik beschränkt sich auf Maßnahmen für die Sicherung der
Goldwährung. Erscheint diese außer Gefahr, so glaubt man alles in bester
Ordnung. Dem Geldwesen wendet sich das öffentliche Interesse immer nur
dann zu, wenn das Zusammenschrumpfen des Goldbestandes in den Noten
banken Bedenken erregt. Wächst dieser Goldbestand wieder, so ist auch die
Währung wieder für eine Weile vergessen.
Auch die Wissenschaft, für die das Geldwesen doch immer noch ein
schwarzer Kontinent ist und wo darum für den Forscherehrgeiz so schöne
Lorbeeren winken, behandelt das Verhältnis des Geldes zu den Waren ganz
besonders stiefmütterlich. Diese Behandlung beschränkt sich regelmäßig auf
eine rein formale Beschreibung und dann auch oft nur auf eine nebensächliche
Verwendungsart des Geldes. Die Frage, wie das Geld beschaffen sein muß,
damit es seinen Zweck auf vollkommene Weise, ohne Nebenwirkung, erfüllt,
wird regelmäßig umgangen oder nur flüchtig gestreift. Typisch in dieser Be
ziehung ist das Werk Knapps: „Staatliche Theorie des Geldes"?) In
diesem sonst so gediegenen Buch wird das Verhältnis des Geldes zu den
Waren überhaupt nicht erwähnt, das Geld nur einseitig als Zahlungsmittel,
also rein juristisch behandelt,- existierten keine Geldschulden, würde allgemein
alles bar bezahlt, so würde Knapp jeden Stützpunkt für die Betrachtung
des Geldes verlieren.
Der Grund dieser für das Geldwesen höchst nachteiligen öffentlichen Ver
nachlässigung liegt unseres Erachtens in dem immer noch herrschenden Wert
glauben, in der von der Wissenschaft genährten Vorstellung, es hafte den
Waren im allgemeinen und insbesondere auch dem Gelde eine eigentümliche,
Wert zu nennende Eigenschaft an. Allerdings eine „übernatürliche Eigen
schaft", wie sie Marx nennt, aber immer doch eine Eigenschaft. Die ge
samte Weltwährungsliteratur, die über die ganze Welt verbreitete Marx'sche
Theorie stehen und fallen mit dieser Vorstellung. Von dieser Vorstellung
bis zu der Annahme, das Geld und vornehmlich das Gold besäße jene
„Wert" genannte Eigenschaft in ganz besonders unerschütterlicher Form, ist
nur ein Schritt, da jener sogenannte Wert zu den Eigenschaften der Materie
Gold gerechnet wird und das Gold vor allen anderen Körpern sich besonderer
Unveränderlichkeit rühmen kann.
i) Leipzig, Verlag von Duncker u. Humblot 1905.