Der sogenannte Wert und die Währungspolitik.
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Verständlich ist es, wenn man bei solchem Glauben eine besondere
Währungspolitik kaum für nötig hält. Erscheint denn nicht auch jedes aktive
Eingreifen des Staates von vornherein als überflüssig und hoffnungslos?
Ist der Wert (einerlei was darunter gedacht ist) einmal als das Wesentliche
am Gelde angesehen und rechnet man diesen sogen. Wert zu den Eigen
schaften des Goldes, etwa wie das Gewicht zu den Eigenschaften des
Eisens gezählt wird, so ist mit dem Prägen der Münzen, mit der Bestimmung
ihres Gewichtes die Rolle des Staates im Geldwesen erschöpft und erledigt.
Wie der Staat das Gewicht des Goldes nicht beeinflussen kann (spezif.
Gewicht 19,33), so kann er auch seinen Wert nicht verändern, wenn der
Wert wie das Gewicht eine Eigenschaft des Stoffes ist.
Und tatsächlich hat sich auch die Tätigkeit des Staates überall auf das
Abwägen und prägen der Münzen beschränkt.
Die Wage, das ist der ganze Verwaltungsapparat des
Staates für die weitaus wichtigste aller staatlichen Verkehrs-
eknrichtungen.
Man wird vielleicht hier einwenden, daß der Staat die Notenbanken,
in Deutschland die Reichsbank, mit der eigentlichen Verwaltung des Geldes
beauftragt. Aber worauf könnte sich noch solche Verwaltung beziehen, wenn
das Wesentliche am Gelde, der sogen. Wert, als Eigenschaft des Goldes
der Beeinflussung durch den Menschen ja von vornherein entzogen ist? Die
Reichsbank teilt die allgemeine Ansicht, es stecke im Gold eine Eigenschaft,
die man Wert nennt, und die das Wesentliche des Geldes ausmacht,- und
was könnte sie da an dieser Eigenschaft verwalten? Zwar existiert ein
Verwaltungsrat der Reichsbank, mit Räten, Direktoren und einem Präsidenten,
und man spricht auch von einer Währungspolitik der Reichsbank. Aber
diese Verwaltung hat nur ein Ziel, die Sicherheit, d. h. Einlösbarkekt der
Banknoten. Sind die Banknoten genügend mit Gold gedeckt, so lebt die
Bankverwaltung sorglos. Zu den Waren und ihren preisen unterhält die
Reichsbank ebensowenig Beziehungen wie der Staat. Der ganze staatliche
Verwaltungsapparat des Geldes, die Münze und die Reichsbank, kennt
keine Warenpreise,- ihm sind die Beziehungen des von ihm besiegelten Geldes
zu den Waren völlig gleichgültig, und wir wüßten keine aktive Handlung
dieses Verwaltungsapparates zu nennen, die sich mit Bewußtsein auf die
Warenpreise richtete. Nicht eine! Staat und Rekchsbank sind in dieser
Beziehung vollkommen von der Wertfiktion beherrscht.
Der Reichsbankpräsident Koch gab eine Sammlung der sich auf das Geldwesen beziehenden
deutschen Gesetze heraus, begleitete sie mit Kommentaren und einer Einleitung — und in dem
ganzen ansehnlichen Buche kommen die Worte Preis und Ware überhaupt nicht vor.
Dieser von Staat, und Volk geteilte und fast noch uner
schütterte Wertglaube hat für die öffentliche Verwaltung des
Geldes den Vorteil, daß alle wirtschaftlichen Katastrophen,
die aus den Veränderungen in dem Tauschverhältnis zwischen
Geld und Waren hervorgehen, allen möglichen Umständen,
nur nicht dem Geld und seiner Verwaltung zugeschrieben
werden können. Mit Hilfe der Goldwage beweist die Reichs