Wie man den Geldbedarf nicht messen soll.
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Wenn man aber gewissenhaft vorgehen will und nach einem mathematisch
genauen Maß strebt, so kann man von Zeit zu Zeit, etwa alle Jahre ein
mal, die große, allgemeine Preisermittlung vornehmen, nach der Methode,
die im letzten Teil dieser Schrift beschrieben wird (s. S. 63).
Me man öen Gelöbeöarf nicht messen soll.
Volkswirtschaftlich betrachtet hat das Geld nur eine Verwendung, nämlich
die seinem Zwecke entsprechende, als Tauschmittel. Das schließt nicht aus,
daß das Geld privatwkrtschaftlich andere Verwendungen findet, die feiner
volkswirtschaftlichen Bestimmung vollkommen fremd sind. So z. B. werfen die
Goldschmiede die Münzen, die der Staat mit Unkosten für den Verkehr hat
prägen lassen, in den Schmelztiegel, um daraus Uhrketten zu machen. Das
ist offenbarer Mißbrauch, der nur darum nicht bestraft wird, weil er sich
nicht vermeiden läßt. Es ist ein Mißbrauch, weil die Goldschmiede das Geld
nicht seiner Bestimmung entsprechend als Tauschmittel, sondern als Rohstoff
für ihr Handwerk gebrauchen.
Und so kann man es immer Mißbrauch nennen, wenn das Geld anders
denn als Tauschmittel gebraucht wird. So ist die Verwendung des Tausch
mittels als Sparmittel, als Spekulationsinstrument, als Spielmarke
(Lotterie) usw., volkswirtschaftlich betrachtet, Mißbrauch des Geldes.
Solange die Volkswirtschaft nicht unter diesem Mißbrauch zu leiden
hat, kann man ja mit Geduld der Sache zusehen,- aber auf keinen Fall darf
man dulden, daß die Bedürfnisse der Sparer, der Spieler und Spekulanten
maßgebenden Einfluß auf die Währungspolitik gewinnen.
Trotzdem geschieht dies allgemein. Wenn es z. B. heißt, daß die Borger,
Unternehmer, Spekulanten, Haussiers, Kaufleute mit der Unterbringung ihrer
Anleihen attf wachsende Schwierigkeiten stoßen und daß darum der Zinsfuß
gestiegen sei, so folgert man, daß es an Geld (Tauschmitteln) fehlt, und
fordert, daß die Emissionsbanken mehr Tauschmittel drucken oder prägen
sollen, damit der Zinsfuß gedrückt werde.
Und cs ist nicht nur der Laie, der so denkt und urteilt, nein, sogar die
Emissionsbanken, die berufenen Hüterinnen der Währung, teilen nur zu
oft solche Ansichten. Und wenn sie bei steigendem Zinsfuß dem öffentlichen
Drängen nachgeben und die Emissionen vermehren, so geschieht dies nicht
etwa, weil sie nicht 0en Mut haben, diesem Drängen zu widerstehen, son
dern weil sie selbst der Ansicht sind, steigender Zinsfuß beweise einen Mangel
an Geld, an Tauschmitteln. Hat nicht Karl Helfferich, f. Z. Mitglied des
Reichbankdirektoriums, in der „Nation" vom 24. März 1900 direkt den
Zweifel ausgesprochen, „ob wohl jemand im Stande wäre, den Nachweis
zu liefern, ob die steigenden Diskontsätze eine Erhöhung des Geldwertes
oder ob die steigenden Preise einen Rückgang des Geldwertes bedeuten"!
(Was mag wohl hier „Geldwert" bedeuten?)