Full text: Aktive Währungspolitik

Wie man Den Geldbedarf nicht messen soll. 
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glaubens) läßt sich noch auf vielen anderen Wegen nachweisen, doch am 
besten wird sie uns die Praxis zeigen. 
Wäre nämlich hoher Zins Beweis eines Geldmangels und wäre es möglich, 
mit Hilfe einer Vermehrung des Geldumlaufes einem weiteren Steigen des 
Zinsfußes vorzubeugen, so müßte doch vermehrter Geldumlauf mit fallendem 
Zinsfuß und verminderter Geldumlauf mit steigendem Zinsfuß der Regel 
nach zusammenfallen. Das Gegenteil ist aber der Fall. Die Geschichte des 
Zinsfußes beweist uns, daß der Zinsfuß gestiegen ist, so oft und so lange 
der Geldumlauf vermehrt wurde und zwar ganz einerlei, ob der Geldumlauf 
durch vermehrte Prägung, durch vermehrten Druck, verdünnte Legierungen 
oder vergrößerte Umlaufsgeschwindigkekt vergrößert wurde. Der Zinsfuß stieg 
und erreichte eine ganz ungewohnte Höhe, als die Räuberbande pizarros 
Europa mit Gold überschwemmte,- er stieg, als die kalifornischen Goldschätze 
ausgemünzt wurden,- er stieg, als man in Deutschland in den erbeuteten 
Milliarden schwelgte. Und nicht allein bei Metallmünzen stieg der Zinsfuß 
mit jeder Vermehrung des Umlaufes, auch das Papiergeld zeigte dieselbe 
Erscheinung. Als Law in Frankreich die Kaufleute mit Papiergeld zu sättigen 
versuchte, stieg der Zinsfuß, als die große Revolution den heute noch immer 
wieder auftauchenden und unausrottbaren Wahngedanken zur Tat werden 
ließ und den „Grund und Boden" in Assignatenform (Bodennoten) „aus 
münzte", stieg der Zinsfuß, und er stieg auch, als Dr. Koch den Zinsfuß 
durch vermehrte Notenausgabe niederzuhalten versuchte. 
Geschichtliche Tatsachen findet man in Gustav Billeter: Die Geschichte des Zinsfußes im 
Griechisch-Römischen Altertum bis auf Iustinian. 
Georg Wiebe: Geschichte der preisrevolution des 16. und 17. Jahrhunderts. 
Adam Smith: Inguir^ into tfie causes etc. 
2n einer übersichtlichen Tabelle verarbeitet findet man dieses Material in Silvio Gesell: 
Die Verwirklichung des Rechtes auf den vollen Arbeitsertrag.' (Jetzt in 5. Auflage unter dem 
Titel „Die natürliche Wirtschaftsordnung" erschienen.) 
Und umgekehrt. 
Der Zinsfuß stel noch zur Zeit der Römerherrschaft, als die Gold 
zufuhren aus Afrika nachließen und die spanischen Silbermknen sich er 
schöpften. Er fiel in beiden Fällen, als die Schätze Montezumas und die 
kalifornischen Minen erschöpft waren,- er fiel, als nach dem deutschen Milliarden 
rausch sich der Katzenjammer in Form von Goldexport einstellte. 
Und der Zinsfuß ist jetzt von seiner Ende 1907 erreichten stolzen Höhe 
auf einen sehr bescheidenen Stand gefallen, während gleichzeitig durch Ein 
zug von Noten und durch das Brachliegen bedeutender Barsummen der 
Geldumlauf erheblich eingeschränkt wurde. 
Warum übrigens der Zinsfuß steigen muß, wenn man ihn durch ver 
mehrten Geldumlauf herabzudrücken sucht, ist leicht zu erklären: Der Kauf 
mann (Unternehmer, Spekulant) kann Geld, auch geborgtes, nutzbringend 
verwenden (anlegen), so lange er hofft, daß er das, was er mit dem ge 
borgten Geld kauft, vor dem Verfall des Wechsels über den Einstandspreis 
verkaufen kann, und diese einzige Bedingung des kaufmännischen 
Geldbedarfes ist erfüllt, solange die preise steigen, was wiederum eintreten 
muß, so ost und so lange das Geldangebot mit den Noten der Bank (oder
	        
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