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Das Maß Ves Geldbedarfes.
Aber bei dieser Auffassung wird vergessen, daß die Ware das primäre,
das Tauschmittel das sekundäre ist. Im Anfang war die Arbeitsteilung,- diese
zeugte die Ware, die Ware aber zeugte den Bedarf an Geld, an Tauschmitteln.
Darum muß sich auch das Tauschmittel der Ware anpassen, und die
gegenteilige Ansicht muß mit ebensolcher Entschiedenheit zurückgewiesen werden,
wie etwa die Behauptung, der Schuh drückte, weil der Fuß zu groß und
nicht weil der Schuh zu klein sei. Wie der Schuh dem Fuß, das Werkzeug
der Arbeit, die Eisenbahn dem Verkehr angepaßt werden muß, so soll sich
auch das Tauschmittcl dem Bedarf an Tauschmittcln anschmiegen.
Auch aus rein praktischen Gründen kommt man zu der Forderung,-
denn das Angebot von Waren ’ dem Angebot von Geld anpassen, heißt die
Fabriken schließen, die Acker brach liegen lassen, die Arbeiter dem Hunger
aussetzen, während umgekehrt die Anpassung des Tauschmittels an den
Bedarf (d. h. die Ware) nur Einzug und Ausgabe von Geld verlangt.
Dies muß hiermit um so mehr Nachdruck betontwerden, als die Währungs
politik aller Länder keinen Zweifel aufkommen läßt, daß die Ansicht, die
Warenproduktion habe sich dem Geldangebot anzupassen, ganz allgemein
verbreitet ist.
Die Frage, ob der Mann hinkt, weil das eine Bein zu groß oder das andere zu klein ist,
kann, ohne weitere Elemente in die Gleichung zu bringen, nicht entschieden werden. Betrachten
wir aber den Mann und finden, daß das lange Bein zu seiner sonstigen Figur die normale
Größe hat, so ist es klar, daß das kurze Bein unnormal, fehlerhast, zu klein ist. Ebenso Verhalt
es sich mit den Waren und Preisen. Arbeitsteilung und Warenangebot stehen immer in einem
normalen, natürlichen Verhältnis zu einander, denn beide wachsen und schwinden immer gleich
zeitig. Das Geld dagegen kann sich nicht direkt auf die Arbeitsteilung berufen,- denn es wird
nicht unmittelbar von dieser, sondern mittelbar durch den Staat erzeugt, paßt also das Geld
nicht auf die Waren, so ist es das Geld, das zu klein oder zu groß ist, und zwar nicht mehr im
Verhältnis zur Ware allein, sondern zum Gesamtorganlsmus der Arbeitsteilung.
Da das Geld das Tauschmkttel aller Waren ist und das Tauschverhältnks
der Waren untereinander fortwährenden Veränderungen unterworfen ist, so
ist die Frage, wie denn überhaiipt Veränderungen im Tauschverhältnis
zwischen Waren lind Geld gemessen werden können, nicht mit einzelnen
Preisen zu beantworten,- denn während z. B. Eiscit im Preise steigt, können
die Kartoffeln im Preise fallen. Zugleich ist zu beachten, daß es nicht einerlei ist,
ob z. B. der Weizen, der in ungeheuren Massen auf den Markt kommt,
Preisänderungen erfährt, oder etwa der Pfeffer, an dessen Preis nur die
Krämer mit kaum Viooo ihres Kapitals interessiert sind.
Will man also feststellen, ob und inwieweit das Tauschverhältnks zwi
schen Geld und Waren sich verschöbe!, hat, so muß man möglichst viele
Preise notieren und die einzelnen Waren nach ihrer Bedeutung klassifizieren,
sodaß die einzelne Ware das Resultat nach Maßgabe ihrer Bedeutung be
einflußt.
So gelangt man zu den sogen. Indexzahlen, wie sie z. B. der „Eco
nomist" in London periodisch veröffentlicht. Je größer die Zahl der zur Statistik
herangezogenen Waren ist, je sorgfältiger die Bedeutung der einzelnen Waren
abgeschätzt wird, umsomehr wird das Ergebnis der Wirklichkeit nahe kommen
und den Bedürfnissen des Wirtschaftslebens genügen.