Full text: Vergangenheit und Zukunft der Sozialwissenschaften

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macht. Trotzdem ist seiner Ästhetik, soviel ich sehe, 
nicht nur das soziologische Element fremd — das lag 
für die Ästhetik noch im Schoß der Götter — sondern 
sie ist auch noch so spekulativ, daß sie in dieser Über 
sicht nur in einer Beziehung Raum finden kann — 
in ihrem Einfluß auf das Denken in Gebieten, die sich 
heute mehr und mehr „soziologisieren“ K 
Das sehen wir gleich an der Ethik der Zeit. Die 
große Tat war die Eroberung des ethischen Feldes 
für die Sozialwissenschaften, das Entstehen einer 
Ethik als Sozialwissenschaft. Aber viele der feinsten 
Geister gingen nicht den direkten Weg zu diesem Ziel 
— es wäre ihnen sogar herzlich unsympathisch ge 
wesen —, sondern sie interpretierten die Sittlichkeit 
als eine Forderung des ästhetischen Gefühls, sie 
suchten ihr Wesen im bewußten, harmonischen Ge 
stalten des Lebens. Nicht besser hätte man den Geist 
der Zeit erfassen können, und das erklärt den so un 
glaublich großen Erfolg des brillantesten Vertreters 
dieser Stellung — Shaftesburys: Weithin und tief 
wirkte er, durch alle Länder und durch alle Gebiete. 
Aber eine Theorie der ethischen Tatsachen war das 
nicht. An der begannen andere zu bauen. Dabei ist 
es ganz Nebensache für uns, von wo man ausging. 
Mochte man die Sittlichkeit egoistisch fundieren, wie 
Mandeville in seinem bizarren Lehrgedicht, oder rein 
1 Vgl. jedoch Justis Winckelmann I, p. 200. Ferner sei immer 
hin betont, daß die starke subjektivistische Strömung in der Ästhetik 
jener Zeit (Harris, Mendelssohn, Sulzer z. B.) ihrer Natur nach in 
diese Richtung weist, wie wir das ja heute wieder sehen: Subjek- 
tivierung, Psychologisierung, Soziologisierung der Ästhetik 1 sind 
Schritte, die hintereinander auf einem Wege liegen.
	        
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