118 Dritter Abschnitt. Einfluß des Konjunkturwandels und der Krisen.
Sterblichkeit von der Trockenheit und den Temperaturverhältnissen,
vor allem in den Sommermonaten, abhängig ist.
Ganz besonders stark ist dann der Zusammenhang zwischen dem
Wandel der Konjunktur und der Wanderbewegung innerhalb
eines Volkes. Es ist dies ein Zusammenhang, welcher auch in seinen
Ursachen sehr leicht zu verstehen ist. Steht doch die ganze Wander
bewegung, die Auswanderung wie die Binnenwanderung, in einem
ganz besonders hohen Maße unter dem Einflüsse wirtschaftlicher
und sozialer Tatsachen. Wer aus seiner Heimat fortwandert, tut dies ja
in der Regel, um damit eine Verbesserung seiner Lebenslage zu
erzielen. Damit sind für die Stärke und die Richtung der Wander
bewegung sowohl die wirtschaftlichen und sozialen Zustände in dem
Abwanderungs- wie in dem Zuwanderungsgebiete maßgebend. So
geht z. B. die deutsche Auswanderung nach den Vereinigten Staaten
von Nordamerika zurück, wenn sich mit einer Verschlechterung der
dortigen wirtschaftlichen Lage die Möglichkeit des Fortkommens für
den Einwanderer ungünstiger gestaltet, und das gleiche ist der Fall,
wenn eine entsprechende Verbesserung der wirtschaftlichen Verhält
nisse in Deutschland eintritt und sich deshalb hier gute und lohnende
Arbeitsgelegenheit bietet. Auch dieser Zusammenhang läßt sich nicht
so einfach durch eine Gegenüberstellung der Auswanderungszahlen
mit den Merkmalen der heimischen Konjunktur verfolgen, weil für
die Höhe der Auswanderung eben die wirtschaftliche Lage zweier
Länder, des Heimat- und des Einwanderungslandes, maßgebend ist.
Wenn mit einer ungünstigen Konjunktur in Deutschland eine günstige
Konjunktur in den Vereinigten Staaten zusammenfällt, so wird sich
die deutsche Auswanderung ganz anders gestalten, als wenn in den
Vereinigten Staaten die wirtschaftliche Konjunktur und damit die
Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkte ebenfalls ungünstige sind 1 ).
Das eben Gesagte gilt nicht nur von der Höhe der Auswanderung,
sondern auch von derjenigen der Binnenwanderung, also von
dem Bevölkerungsaustausch zwischen Stadt und Land und Industrie
und Landwirtschaft. Mit aufsteigender wirtschaftlicher Konjunktur
und zunehmender Nachfrage nach Arbeitskräften schwillt der Zuzug
in die Städte und in die Industriebezirke an, um bei einem Nach
lassen der Konjunktur wieder abzunehmen, ja sogar mitunter einer
nicht unerheblichen Rückwanderung Platz zu machen. So hat im
Jahre 1901 mit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise bei uns der bis
dahin sehr erhebliche Zuzug in die Städte stark abgenommen. In
einigen Städten ist sogar ein nicht unbeträchtlicher Fortzug ein
1 ) Vgl. dazu auch Hein ecke, Die Auswanderung u. die Störungen
im deutschen Wirtschaftsleben. Sehr. d. V. f. Sp. Bd. 109. S. 227.