Wettbewerb und Zusammenarbeit. 89
wunderbare Muster davon bieten. Ich will nicht bloß von
den Bienen und Ameisen sprechen, die ein ewiger Gegenstand
des Nachdenkens bleiben werden; aber es gibt auch eine Unzahl
anderer, welche den Gegenstand biologischer Studien bilden,
besonders in der Meeresfauna. Denn hier liegt ein Ge
heimnis vor, daß nämlich die Genossenschaft sich . fast aus
schließlich bei den niederen Arten findet, oder wenigstens bei
den von uns so genannten. Sowie man zu den höheren
Gattungen emporsteigt, die sich mehr und mehr der mensch
lichen Art nähern, verschwindet die Genossenschaft. Und doch
ist jedes Tier mit den Seinen gesellig. Wer weiß, ob nicht die
Genossenschaft ebenso gut bei den Säugetieren und anderen
Tiergattungen vor dem Auftreten des Menschen vorhanden
gewesen ist, und ob sie nicht gerade infolge seines Erscheinens
verschwunden sind. Vielleicht könnte man es durch folgende
Tatsache erklären: diese Tierarten, uns näher verwandt, sind
einst Gegenstand eines brudermordenden Wettbewerbs ge
wesen, sind niedergemetzelt, zu Sklaven gemacht oder zerstreut
worden und sind dann zum Individualismus zurückgekehrt,
wie die Stämme der Rothäute oder Kanaken oder wie die
der Biber, welche fast gänzlich untergegangen sind.
In allen Fällen bieten uns die Tiergesellschaften, die
noch bestehn, ein bewundernswertes Beispiel für das „Jeder
für alle", von dem ich soeben gesprochen habe. Oder
wo ist es besser verwirklicht als im Bienenstocks Man
kann sagen, es ist dort ein wenig zu weit getrieben
und hat das vernünftige Maß überschritten; nicht nur lebt
der Stock für die Biene, sondern sie scheint auch als
Daseinsgrund nur den Stock zu haben. Wir möchten
keinen menschlichen Bienenstock, wo der Mensch nur für den
^tock lebte. Im Gegenteil soll die Gesellschaft ein Mittel zur
Menschenbildung sein, zur Schaffung von Persönlichkeiten,
die starker und reicher in jeglichem Sinne dieses Wortes sein
sollen wirtschaftlich und sittlich. Ohne Zweifel werden sie
durch dre. Gesellschaft mehr und mehr voneinander abhängig,
aber Abhängigkeit bedeutet nicht Verarmung, wenn sie wechsel-
>eitlg ist und ein jeder dazu berufen ist, vom andern soviel
und mehr zu empfangen, als er ihm gibt. Vielleicht weil im
Stock die Biene vollständig dem Stock geopfert wird, vielleicht
gerade deshalb hat der Stock niemals Fortschritte gemacht und
ist, seit wir ihn kennen, unveränderlich geblieben.
Volk, Gemeinde sind auch Gesellschaften, natürliche dazu
und in dem Sinne zwangsweise, daß sie aus einer einfachen