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und zu Pferde, in Aniform und Zivil, an sichtbaren Stellen und im Linker-
gründe, das ist die regelmäßig wiederkehrende Begleiterscheinung der Grab
schmückung am 18. März. Dazu ein kleinlicher Kampf der Polizei gegen
„aufreizerische Abzeichen" am Gräberschmuck, gegen Schleifen mit In
schriften revolutionären Charakters, und ganz besonders gegen Schleifen im
anstößigen Rot. Solche umstürzlerischen Schleifen sofort mit der Schere
zu entfernen und zu konfiszieren, ist eine Lauptsorge der Polizei, und daß
diese Art „Schneidigkeit" stets Zeichen von Bitterkeit oder Lohn auslöst,
ist selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich bei dem Geist der Berliner
Arbeiterschaft ist aber auch, daß diese Polizeiakte sich als das Gegenteil
dessen bewähren, was ihnen Zweck verleihen könnte: statt abzuschrecken,
feuern sie an.
Von Jahr zu Zahr wird lange Zeit der Besuch der Märzgräber
immer stärker, ein immer reicherer Blumenschmuck zeugt von der zu
nehmenden Leistungsfähigkeit der Arbeiterbewegung. Zeitereignisse bringen
ihn in einzelnen Jahren auf eine Löhe, wie ihn die bürgerliche Demokratie
selbst zur Zeit ihrer größten Blüte nicht zu erwirken vermochte. So wurden
im Jahre 1894, nachdem am 18. Januar die Polizei am Friedrichshain
die weiter oben berichteten Prügelszenen aufgeführt hatte, am 18. März
über 500 Kränze auf den Märzgräbern niedergelegt, teils von Vereinen
und Klubs, teils von Arbeitern bestimmter Werkstätten auf Grund von
Sammlungen gestiftet. Es ist nicht übertrieben, die Zahl der so an dieser
Kranzspende Beteiligten auf mindestens 50 000 einzuschätzen. Ein Teil
der Kränze ist sehr kostbar — für die Opfer des Freiheitskampfes ist
nichts zu teuer. Lieber wird auf einen sonstigen Genuß verzichtet, als daß
man hier sparte. Lerrliche Blumen und Schleifen bedecken den einfachen
Rasen, unter dem die Märzgefallenen ruhen, lakonische Inschriften in
Prosa oder Versen geben die Gedanken kund, welche die Stifter beseelen.
Der ernsthafteste Zusammenstoß zwischen der Polizei und der Volks
masse, die zu den Märzgräbern pilgerte, fand am 18. März 1892 statt.
Durch Übereifer und brutales Gebaren der Polizei, in deren Leitung noch
der Geist der Ära Bismarck starken Einfluß hatte, wurden die Massen,
unter denen viele Arbeitslose waren, aufs äußerste gereizt. Sie widersetzten sich
den Befehlen der Polizei, es gab auch Versuche, Polizisten, die besonders
schroff vorgingen, aufzuhalten, worauf die berittene Polizei mit blanker
Waffe auf die Menge einhieb und sie so gewaltsam auseinander trieb.
Natürlich fehlten auch Verhaftungen nicht, und einer der Verhafteten,
der Maurer Karl Neumann, ward wegen „Aufruhrs" zu einem Jahr
Gefängnis verurteilt. Der Effekt der Polizeiaktion aber war, daß im
folgenden Jahre — 1893 — der Besuch des Friedrichshain ein noch be
deutend stärkerer war, als das Jahr vorher. Indes kam es trotz des
gesteigerten Besuchs zu keinem Zusammenstoß, die Polizei bemühte sich
ersichtlich, die Massen nicht zu reizen.
Dagegen griff in diesem Jahr die Presse-Abteilung der Polizei staats
rettend ein. Von sozialdemokratischer Seite war für den 18. März eine
„Festzeitung" auf rotem Papier herausgegeben worden und ebenso
waren die Märznummern des „Volksblatt für Teltow-Beeskow"
und des von den Unabhängigen herausgegebenen „Sozialist" auf rotem
Papier gedruckt worden. Das erhöhte ihre Staatsgefährlichkeit in bcn