318
Es war durch genaue Anker-
suchungen festgestellt worden,
daß „die Arbeitszeit bei der
Leimarbeit bis zu 18 Stun
den währt", daß Leim
arbeiter einen Durchschnitts
lohn — wohlverstanden,
Durchschnittslohn von
18 Pfennig die Stunde
„erreichten", und das Eini
gungsamt stellte fest, daß
„dies Zurückgehen der Löhne
im wesentlichen nicht in
den Absatzverhältnissen der
Branche seinen Grund hat,
sondern in dem Bestreben
einzelner Firmen, mit aus
wärtigen Geschäften zu kon
kurrieren".
Mit Orten, wie seinerzeit
Aschaffenburg, konkurrieren
zu wollen, wo die Lebens
haltung der Arbeiter eine
viel weniger kostspielige ist
als in Berlin, habe sich als
„fruchtloses Beginnen klar
herausgestellt". Somit
„mußte deshalb die Auf
lehnung der Arbeiter
gegen den auf dieser Grund
lage erwachsenen Lohndruck
als eine durchaus berech
tigte anerkannt werden".
Nur durch Festlegung eines Mindesttarifs könne, heißt es dann noch, „ver
hütet werden, daß diejenigen Artikel, welche in Berlin nach obwaltenden
Verhältnissen ohne Beeinträchtigung einer menschenwürdigen Lebenshaltung
der Arbeiter nicht hergestellt werden können, einen ungerechtfertigten Lohn-
druck ausüben".
Nach diesen vernünftigen Grundsätzen hatte das Einigungsamt den
Tarif ausgearbeitet, und scharf wies Weigert den Vorwurf der Einseitigkeit
zurück, den die Konfektionäre in ihrem Organ dem Amt immer wieder machten.
Die Fabrikanten hätten die beste Gelegenheit gehabt, Einseitigkeiten zurück
zuweisen, wenn sie vor dem Amt erschienen wären und ihre abweichenden Aus
sagen deponierten. „Daß sie dies nicht getan haben, sondern dem gegebenen
Worte zuwider ausgeblieben sind (von 56 persönlich vorgeladenen Fabrikanten
waren nur 22 der Einladung gefolgt), beweist die Grundlosigkeit ihrer Be
hauptung." Diese Erklärung gab das Amt „namens jedes einzelnen seiner
Mitglieder" ab: Arbeiter, Arbeitgeber und der Vorsitzende vemrteilten ein
stimmig das Verhalten der Mehrheit der Konfektionsunternehmer. Der
moralische Sieg war auf seiten der organisierten Arbeiter, deren Vertretern
Dculschcr Hoharöritcr-Verband (JaWeste Gerlin).
Anweisungen
für die
Vertrauensleute streikender Werkstätten.
für Werkstatt-Streiks und allgemeine Streik«.
Zur Durchführung des Streik» und Kontrolle der Stteikenden hält der Srt»
«raurnSinann am ersten Tage de« Streik» eine Versammlung der streikenden Kollegen
ab. in welcher er dje VrrhaIturig»>Maßrrgeln bekannt gib». C« erfolgt dabei die
Aufnahme der Streikenden in dir Streiklistc. die Auügnbe der Streikkorlen und die
Verteilung der Streikposten. Jeder Streikende muß sich.täglich um 9 Uhr vormittag»
im Lokale der Stteikenden zum Appell einfinden und einige Stunden al» Streik-
Posten tätig sein. Der Vertrauensmann sammelt jeden Morgen die Stteikkarten ein
und laßt sie in der Zeit von 10 l>i» II Uhr im Bureau abstempeln.
Durch regelmäßige» Posten stehen inuß verhindert werden, daß dir Plötze der
Streikenden mit Streikbrechern besetzt werden. Da» Postenstehrn ist nicht gesetzlich
verdorrn Es bestehen ober Polizeioerordnungen. nach denen ein Polizeibeomter
befug» ist. Personen von der Sttaße sottzuweisen. wenn er glaubt, daß durch da»
Stehenbleiben eine Verkehrsstörung oder ei» Austaus eittstehcn könnte. Wird der
Stteikposte» weggewiesen, so muß e, sich ohne Widerrede gleich entfernen. Leistet
er der Aufiorderung nicht sofort Folge, so wird er nach der Wache gebracht unh
bekommt einige Wochen später ein Sttofmandat Eine gerichtliche Entscheidung
dagegen zu beantragen, ist zwecklos, denn in allen neueren Gerichtsentscheidungen
bekommt die Polizei in solchen Fällen Hecht. Deshalb gehl man am besten dem
Beamten schon bei dessen Annäherung au» dem Wege Man kann dann in an-
gemessener Entsernung von dem Hause auf- und abgehen. Aus dem Fadrikhosc kann
nur der HauStvrrt oder dessen Slellvettreter Streikende wrgweisen. Hält man sich
ober trotz mehrnialiger Aussorderung zum Verlassen des Grundstücks aus diesem aus.
so kann man sich ein, HouSfriedenSliruch Klage zuziehen.
Finden sich Streikbrecher in der bestreiltci, Werlslat» ein. so müssen sie durch
gütliche Ueberredung von der Notinrndigkeil ihrer Solidarität überzeugt werden E»
empfiehlt sich dann hauptsächlich, sie de» Abends obznivarlrn und beim Nachhausewege
über die Sachlage zu unterrichten Im Bedarfsfälle müssen dann zu dieser Zeit
mehr Kollegen an den geeigneten Stellen unaussallig aufgestellt werden, so daß aus
jeden einzelnen Streikbrecher eingewirkt werde» kann E» darf sich niemand scheuen,
die Wohnung des Streikbrecher« zu erniitteln »nd selbst dessen Beknnnlrnkrei» zur
Aufklärung mit heranzuziehen, um den Streikbrecher au» der Werkstatt ivieder heran»
zu bekoniinen Es muß aber daraus geachtet werden, das; die Streikbrecher nicht
angefeindet oder beleidigt n-erden: sie iverden dadurch erbittert und verlasse» den
Betrieb erst recht nicht Außerdem- iverden ja Bkleidiguiigeu. Bedrohungen und
Mißhandlungen von Streikbrechern mit hohe» Grfängniüsttafen geahndet. Den
Streikbrechern gegenüber ist ein vorsichtige» Verhallen besonder» anzuraten.
Um die berufsmäßigen Stteikbrecher nicht anzulocken, iverden bestreikte Betriebe
i» der Zeitung nicht dckaniit gegeben Nur wen» der Arbeitgeber Arbeitswillige
151 und 152. Anweisungen des Äolz-
arbeiterverbandes für die Vertrauens
leute streikender Werkstätten