Full text: Denkschrift betreffend die Neuregelung der handelspolitischen Beziehungen Deutschlands zu den Vereinigten Staaten von Amerika

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des Deutschen Reiches gar keine handelspoliti 
schen Abmachungen mit den Vereinigten Staaten 
besitzen. Aber selbst wenn man amerikanischer- 
seits den preußischen Vertrag für ganz Deutsch 
land gelten zu lassen geneigt ist, dünkt es uns 
wünschenswert, mit den alten Dokumenten aus der 
Zeit von Deutschlands politischer und wirtschaft 
licher Zerrissenheit aufzuräumen und ein neues Ver 
tragsinstrument zu schaffen. 
2. Der alte preußische Vertrag vom Jahre 1828 
entstammt einer Zeit, welche über Wesen und 
Inhalt des Meistbegünstigungsanspruches ganz an 
dere Anschauungen hegte, als sie heutzutage herr 
schen. Die ganze Welt bekannte sich damals 
nicht zur unbedingten Meistbegünstigung, sondern 
zur bedingten, die auch in dem angezogenen 
Vertrage vereinbart ist. Die Verkennung dieser 
Tatsache hat uns zu mancherlei Irrtümern und 
Mißgriffen verleitet. 
Im Jahre 1883 erkannten wir keinen vertrags 
mäßigen Anspruch der Union auf Behandlung 
als „meistbegünstigte“ Nation an. Damals zählte 
man laut Centralblatt für das Deutsche Reich 
(S. 296) nur achtzehn vertragsmäßig in Deutschland 
meistbegünstigte Staaten, unter denen sich die 
Union nicht befand. 
In der Zeit von 1883 —1885 ist unseres Wis 
sens an den Verträgen Preußens und der Seeufer 
staaten mit der Union nichts geändert worden. 
Gleichwohl legte man der Union im Jahre 1885 
die Stellung einer vertragsmäßig in Deutschland 
meistbegünstigten Nation bei. (Centralblatt S. 47.) 
Der gleichen Union nun, deren Anrecht auf 
die Behandlung als meistbegünstigte Nation im 
Jahre 1885 auf der ganzen Linie anerkannt worden 
war, hat man im Jahre 1891 diese Stellung inso 
fern wieder aberkannt, als man ihr nur den Kon 
ventionaltarif für landwirtschaftliche Produkte 
gewährte; und dieses außerdem als Zugeständnis 
bezeichnete, gegen das man die Zollfreiheit un 
seres Zuckers in der Union eintauschte. Mit 
anderen Worten: die Union wurde jetzt wieder 
als eine in Deutschland nicht ohne weiteres meist 
begünstigte Nation angesehen. 
In den Folgejahren verfocht man regierungs 
seitig im Reichstag wieder die Ansicht, daß wir in 
der Union ohne weiteres meistbegünstigt seien und 
umgekehrt. 
Und im Jahre 1903 endlich hörte man vom 
Regierungstische aus das Wort: die Union ist in 
Deutschland nicht meistbegünstigt. 
Wir haben also im Laufe von 20 Jahren vier 
mal unsere Anschauung über das zwischen Deutsch 
land und der Union obwaltende Handelsvertrags 
verhältnis geändert, — ein in der Geschichte der 
äußeren Handelspolitik wohl einzig dastehender
	        
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