262 Dr. Sogemeier:
aus, Es geht hierbei um Tatsachen, Erkenntnisse und praktische Folge-
rungen, die wie kaum andere den Bestand unseres außen- und innen-
politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens bedingen.
Die gewaltigen sozialen und wirtschaftlichen Erschütterungen der
letzten Jahre hatten zur Folge, daß die öffentliche Diskussion sich in
stark überwiegendem Maße um „die Wirtschaft‘ gruppierte, so daß
vielfach starker Unmut laut wurde über dieses einseitige „Vordrängen“
der Wirtschaft, Die Unmutigen erblickten darin die Unterstellung
unseres staatlichen, in erster Linie auch unseres kulturellen Lebens
unter die Wirtschaft. Wirtschaft, Technik und Mechanisierung, so
folgerte man, würden nun der deutschen Entwicklung ihren Stempel
aufdrücken. Der Unmut wurde zur Abneigung und Feindschaft weiter
Bevölkerungskreise gegen die Wirtschaft und alles, was aus Wirtschafts-
kreisen über öffentliche Probleme geäußert wurde. Dabei wurde von
vielen die Wirtschaft gleichgesetzt mit der Unternehmerschaft und den
Kapitalbesitzern, was zur Folge hatte, daß sich damit auch diese Kreise
in eine Front mit denen stellten, die in rein sozialem Gegensatz Unter-
nehmertum und Kapital in der bestehenden Wirtschaftsform bekämpf-
ten. Alle Warnungen und auch in das Staatspolitische übergreifenden
Äußerungen aus Wirtschaftskreisen wurden daher mit solcher Menta-
lität aufgenommen, d, h. innerlich und äußerlich von vornherein abge-
lehnt. Unmut, Feindschaft oder Überdruß findet heute leider in aus-
gedehntem Maße alles, was zur Frage unseres öffentlichen Lebens vom
wirtschaftlichen Standpunkt geäußert wird. Man will einfach nicht
mehr glauben, sogar nicht einmal mehr hören, was einfach nicht ge-
leugnet werden kann, daß durch die allgemeine weltgeschichtliche und
weltwirtschaftliche Entwicklung die politischen, soziologischen und
kulturellen Voraussetzungen für die Existenz des deutschen Volkes so
ausschlaggebend wie nie bisher von den materiellen wirtschaftlichen
Existenzmöglichkeiten abhängig sind, Wenn die Produktionswirt-
schaft keine Absatzmöglichkeiten hat, gibt es für die gewerblichen und
landwirtschaftlichen Arbeitskräfte nicht Arbeit und Brot. Ohne diese
Möglichkeiten und die tatsächliche. Schaffung von Produktionswerten
durch die verschiedenen Teile der Wirtschaft ist jede soziale und
kulturelle Entwicklung nicht nur unmöglich, sondern es ist sogar das
bisher Erreichte gefährdet. Endlich läßt sich auch nicht bestreiten,
daß ein Staatsleben ohne einen gesicherten Zufluß von finanziellen
Mitteln aus der Wirtschaft nicht denkbar ist. Das widerspricht nicht
dem, daß auch die wirtschaftliche Entwicklung ihrerseits entscheidend
beeinflußt und gefördert wird durch staatliche und kulturelle Einrich-
tungen und Aufwendungen, eine Tatsache, die man in Zukunft vielleicht
mehr unterstreichen sollte, als es durchweg in den letzten Jahren ge-