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Viertes Kapitel. Das griechische Wirtschaftssystem.
freilich machten selten den Sklaven Konkurrenz, da sie wohl vor
wiegend im häuslichen Dienst benutzt oder zum Geschlechtsgenuß
verwendet wurden. Durch das Zuströmen vieler Griechen und kulti
vierter Menschen wurde es natürlich manchen klar, daß „Sklave"
zu sein nicht in der Natur dieser Menschen liegen könne, und so fing
man denn zu Ende dieser Epoche schon ernsthaft an, die Sklaverei
zu bekämpfen (Aristoteles, Politik I, 2, 3). Andere Autoren, be
sonders solche, die Gegner der Demokratie waren, sprachen sich
für die Sklaverei aus, jedoch unter Einschränkung, so meint z. B.
Plato, daß Hellenen einander nie zu Sklaven machen dürften.
Auch Aristoteles wollte den wirklichen Sklaven von dem durch
Zufall gewordenen abgesondert wissen, prinzipiell sind aber beide
für die Sklaverei eingetreten, und Aristoteles meinte, daß bei
einem richtigen Verhältnis zwischen Herrn und Sklaven beiden
genützt werde, was im Hinblick auf ganz rohe Menschen vielleicht
richtig war, aber bei der Majorität mußte es klar sein, daß sie
auf keiner tieferen Stufe standen als ein großer Teil des freien
athenischen Volkes — konsequenter Weise erklärte denn auch Aristo
teles den Haufen der Handwerker und Arbeiter für eine Sklaven
horde, die nur, statt einem zu dienen, für jedermann Sklavendienste
leisten, was man bei seiner Stellungnahme zur Sklaverei
wohl beachten muß. Besonders zahlreich waren die Sklaven in
den Handelszentren Athen, Korinth, Korzyra, Ägina, denn die Leib
eigenen in den agrarischen Ländern, so in Sparta oder Thessalien,
darf man hier nicht erwähnen, die nahmen sowohl rechtlich als
auch wirtschaftlich eine andere Stellung ein und sind am ehesten
den Leibeigenen des Mittelalters vergleichbar.
Als um die Mitte des 4. Jahrhunderts Griechenland durch die
vielen Kriege stark heruntergekommen war und Athen notgedrungen
sich einer Friedenspolitik zuwenden mußte, war es für viele selbst
verständlich, daß der Welthandel nun die erste Rolle zu spielen
habe, um die politische Suprematie durch die wirtschaftliche zu
ersetzen, so sehr war die Bedeutung des Handels und der Industrie
im Verlaufe der letzten Jahrhunderte zum Bewußtsein gekommen.
Man begann nun, die Meinung zu vertreten, Athen sei nicht dazu
geschaffen, Krieg zu führen, da die Staatseinnahmen darunter litten
(S. 76), der Friede sei unbedingt nötig, vor allem aber für die
Schiffsherren und Großkaufleute, für die Getreide-, Wein-
und Ölhändler, ebenso sür die, welche ihre Goldstücke vermehren
wollten, für die Geistesarbeiter nicht weniger als für die Hand-