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die Kosten des vorgeschlagenen Zählungsverfahrens lange nicht
so gross sind, als die durch dieselbe dem Staate in Aussicht
stehende Mehreinnahme aus den Zollvereinserträgnissen, so
empfiehlt sich gewiss eine Methode auch aus finanziellen Grün
den, die nicht blos den Zweck der Volkszählung, sondern
auch den der Volksbeschreibung in so vollkommener Weise
erreichen lässt.
Uebrigens verdient es bemerkt zu werden, dass in dem
selben Maasse, als die Wichtigkeit der Volkszählungen besser
erkannt wird, auch immer grössere Mittel für diesen Zweck
aufgewendet werden. Von den vereinigten Staaten Nordame
rikas liegen die Censuskosten seit 1790 vor; sie sind ein vor
trefflicher Beleg des eben Ausgesprochenen. Es kostete der
Census
von 1790 bei 3.929 872 Bewohnern 14 377 Dollars.
1800
1810
1820
1830
1840
1850
5.305 952
7.239 814
9.638 131
12.866 920
17.063 353
23.191 876
66 109
178 445
208 526
378 545
833 371
1.318 027
In der Kostensumme des letzten Census von 1850 sind
aber die Druckkosten noch nicht einmal begriffen. Sie über
ragen sicher die Summe von 200 000 Dollars, denn im Jahre
1840 beliefen sie sich bereits auf eine Höhe von 184 693 Dollars.
Auf den Kopf der Bevölkerung reducirt nehmen die Kosten
folgenden Verlauf:
Im Jahre 1790 0,37 Cent.
1800 1,25
1810 2,46 »
1820 2,16 ,
1830 2,94 »
1840 4,88
1850 5,68 »
Ein Cent ist 0,43 Silbergroschen = 5,16 Pfennig.
Um den Vergleich noch auf einige andere Länder auszu
dehnen sei nur noch hinzugefügt, dass die Zählungskosten
pro Kopf der Bevölkerung waren:
in Belgien 1846 1,13 Silbergr.
in England 1851 1,66 »
in Amerika 1850 2,44 » (excl. Druckkosten).
Dass die Zähler von den Kosten den Löwenantheil em
pfangen geht aus dem englischen Tarife für ihre Leistungen
klar genug hervor. Jeder derselben erhält in England bei der
am 8. April d. J. stattfindenden Zählung:
eine feste Remuneration von 1 Pfd. Sterl. = 6 Thlr. 20 Sgr.,
eine Zuschlags-Remuneration von 2 Shilling = 10 Sil
bergroschen für jede 100 Personen über 400 im Zäh-
lungsdistrict ;
eine Zuschlags - Remuneration von \ Shilling = 5 Sgr.
für jede englische Meile Weg über 5 Meilen, die er bei
dem Austheilen der Listen zu machen hat, und eben so
viel für denselben Weg beim Sammeln der Listen.
Es ist nicht daran zu denken, dass solche, oder auch nur
entfernt ähnliche Summen gegenwärtig in irgend einem deut
schen Staate für die Volkszählungen in denselben verausgabt
werden; und sehr die Frage ist es, ob es überhaupt nöthig
ist sie zu verausgaben, ob nicht, wenn eben die Volkszählun
gen zu Nationalunternehmungen gemacht werden, der Zweck
mit ungleich weniger Kosten noch vollständiger zu er
reichen sein möchte. Würde der Erfolg auch nicht sofort sich
zeigen, mit der Zeit dürfte er sicher nicht ausbleiben.
Am Schlüsse dieses Abschnittes über die Ausführung der
Zählung sind nun noch zwei eng damit im Zusammenhang
stehende Dinge zu berühren, das sind: die Zählung der Mili-
tairbevölkerung und die Zählung in der Stadt Berlin.
1)
2)
3)
Hinsichtlich der Militairbevölkerung ist es der seit
langer Zeit bestehende Brauch in Preussen, dieselbe durch die
Militärbehörden zur Ziffer bringen zu lassen. Indessen er
mitteln diese nicht die ganze Militairbevölkerung, sondern nur
die active und ihre Angehörigen. Die pensionirten Officiers
und deren Angehörige, sodann die zur Disposition gestellten
Officiere werden wiederum von den Civilbehörden gezählt und
endlich auch die auf längere Zeit beurlaubten Soldaten im
activen Dienst.
Es unterliegt nun gar keinem Zweifel, dass eine solche
Spaltung des Zählungsgeschäfts zu allerlei Unrichtigkeiten
führen muss. Uebergehungen sind dabei ebensowenig zu ver
meiden als Doppelzählungen. Hierzu kommt, dass die Er
mittelung der Zahl aber gar nicht der alleinige Zweck des
Census ist, sondern dass er auch den Zweck der Volksbeschrei
bung mit zu erfüllen hat. Von diesem Gesichtspunkte aus ist
der Militairstand kein Stand, sondern ein Beruf. Jeder active
Militair, der während der Zählung unter den Fahnen steht, ist
eben nur als ein Organ der Landesvertheidigung zu betrachten.
Das begründet keine Ausnahme, dass dieselbe eine allgemeine
Staatspflicht ist. Ausser diesem Beruf sind ja alle übrigen
Verhältnisse der Militairbevölkerung dieselben, wie die der
Civilbevölkerung. Sie lebt theils in Familien, theils in Extra
haushaltungen, sie ist verschieden nach Alter, Confession, Ab
stammung und Sprache, alles Dinge, die von ihr so gut zu
erheben und nachzuweisen sind, wie von der Civilbevölkerung.
Darum ist es dringend nöthig, dass die Specialzählung der
Militairbevölkerung durch die Militairbehörden aufhöre, dass
jeder Officier und Officiersrang bekleidende Militair, ferner
jeder verheirathete Militair niederen Grades als ein Haus
haltungsvorstand angesehen werde, der die erforderlichen Angaben
über sich und die Seinigen in eine gewöhnliche Haushaltungs
liste einzutragen hat. Alle Uebrigen aber, soweit sie in Caser-
nen wohnen, sind Mitglieder von Extrahaushaltungen und wer
den in Extralisten für Casernen etc. verzeichnet. Im Falle
Truppen bei Privatbewohnern einquartiert sind, sind sie als
deren Aftermiether zu betrachten. Nur allein auf solche Weise
kann die Militairbevölkerung an den Orten ihres Aufenthalts
mit Sicherheit nach Zahl und Beschaffenheit ermittelt werden.
Der andere Punkt, die Zählung in Berlin, hat bei
jedem Census Anlass zu Differenzen gegeben und seit mehr
als 20 Jahren kehren bei jeder Zählung die Streitigkeiten über
die Richtigkeit der Volkszahl der Residenz wieder. Wäre der
Fehler, der das Streitobject bildet, ein kleiner, so würde er
nicht so gebieterisch durchgreifende Massregeln zur Richtig
stellung der Zahl erfordern, er ist aber zu Zeiten schon ein
sehr grosser gewesen und hat gegen 30 000 betragen, d. h.
6—8 Procent der Gesammtbevölkerung der Residenz.
Für grosse Städte mit einer mehr oder weniger beträcht
lichen latitirenden Bevölkerung ist die wichtigste Regel der
Zählung die, dass die Aufnahmen auf den Zustand in einer
sehr kurzen Zeit reducirt werden. So wird also die Bevölke
rung Berlins zu ermitteln sein, wie sie in der Mitternacht vom
2. auf den 3. December war. In Folge dessen ist jeder Haus
haltungsvorstand zu verpflichten, in seiner Haushaltungsliste
über diejenigen theils Angehörigen, theils Aftermiether, theils
blosse Schlafleute Auskunft zu geben, welche in der Nacht vom
2. bis 3. December seiner Haushaltung im Sinne der Zählungs
verordnung angehörten. Ebenso haben die Inhaber von Her
bergen, Gasthäusern die nämliche Angabe über die von ihnen
Beherbergten oder Logirten in den hierfür bestimmten Extra
listen zu machen. Wird mit Strenge auf Erfüllung dieser Vor
schriften gehalten, so kann es sich nur noch um die Bewoh
ner der Residenz handeln, die in der genannten Nacht weder
in einer Familien- noch in einer Extrahaushaltung zubringen.
So weit dies auf der Reise Befindliche ( die Nacht hindurch
Fahrende) betrifft, finden die hierfür getroffenen Bestimmungen
Anwendung, so weit es aber Vagabondirende sind, so ist deren
Zahl freilich nur schwer zu ermitteln. Indess eine Nacht vom
2. zum 3. December ist gerade nicht sehr einladend zum Her
umstreifen im Freien. Wird demnach ein Fehler begangen,
so kann er nicht sehr gross sein und keinesfalls in die Tau
sende gehen. Nur durch eine Zählung mittelst Haushaltungs
listen lässt er sich auf ein Minimum herabdrücken. In Lon
don , Paris, Brüssel wird die Bevölkerung ebenfalls durch
Haushaltungslisten zur Ziffer gebracht und das Verfahren bei
der Austheilung, Ausfüllung und Wiedereinsammlung ist kein
anderes als das vorn beschriebene. Nur geschieht die Zählung,
wie allenthalben in England, Frankreich und Belgien, durch
besondere Zähler. Indess nicht diese Einrichtung allein ver
bürgt die grössere Genauigkeit und Zuverlässigkeit, sondern
die Massregeln, welche hinsichtlich der Zutheilung der Listen
an die Haushaltungsvorstände getroffen werden, sind es, worauf
es bei der Sache ankommt.
Dass man in einer Stadt von der hohen Bedeutung Berlins
gleichzeitig mit der und durch die Volkszählung auch noch
viele andere, die communlichen Interessen berührende Verhält
nisse erheben könne, ist ebenso selbstverständlich, als es
wünschenswert!! ist, dass Berlin in Bezug auf eine Special
statistik nicht hinter Paris und Wien zurückstehe. Berlin ist
sicher berufen, in der Statistik der grossen Städte eine der
hervorragendsten Stellen einzunehmen.
V. Schlussresultate.
Der Inhalt vorliegender Denkschrift ist in folgende Sätze
zusammenzufassen, die als eben so viele Vorschläge angesehen
werden können: