Full text: Die Haftpflicht der Eisenbahn-, Bergbau- und Fabrik-Unternehmer

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Worte des § 3 Nr. 1: „Insoweit rc., als ihm in Folge 
des Todesfalles der Unterhalt entzogen worden ist." 
6. Der Ersatz erstreckt sich auch auf den „Vermögens- 
n ach the il, welchen der Beschädigte erlitten hat, und zwar: 
a. im Falle der Tödtnng, auf den Vermögensnachtheil, 
welchen der Getödtete während der Krankheit durch Er 
werbsunfähigkeit oder Verminderung der Erwerbsfähigkeit er 
litten hat. 
Es ist nicht jeder Vermögensnachtheil zu ersetzen, sondern 
nur der Verlust an Erwerb, welchen die Krankheit während 
ihrer Dauer veranlaßt hat, und zwar die Krankheit, welche 
Folge der tödtlichen Verletzung beim Betriebe der Bahn, des 
Bergwerks u. s. w. war. Der durch jede andere Krankheit 
herbeigeführte Verlust an Erwerb fällt nicht dem Haftpflichtigen 
zur Last. Unter Erwerb ist nicht nur der von oder bei dem 
Betriebe, welcher die Tödtung verursacht hat, zu verstehen, 
sondern jeder andere Erwerb, der nachweisbar durch die Krank 
heit unterbrochen ist. Wer Erwerb überhaupt nicht gehabt oder 
betrieben hat, kann natürlich auch keinen Vermögensnachtheil 
fragl. Art nachweisen. Das bloße Coupons-Abschneiden eines 
Rentiers, das dolce far niente des Banquiers int Bade oder 
auf Reisen ist als Erwerbsfähigkeit nicht zu erachten, wohl aber 
z. B. der Anspruch auf Leibrenten, Pensionen rc. Bei der 
gleichen Erwerbe wird dem richterlichen Ermessen und dem 
Gutachten der Sachverständigen (s. u. § 6) freies Feld zu 
lassen sein, so weit die Krankheit den Verlust der Reuten rc. 
vielleicht durch Aufenthalt in fremden Ländern oder sonst ver 
anlaßt hat. 
b. Im Falle der Körperverletzung ist der „in Folge 
der Verletzung durch eingetretene zeitweise oder dauernde 
Erwerbsunfähigkeit oder Verminderung der Erwerbsfähigkeit" 
erlittene Vermögensnachtheil zu ersetzen. 
aa. Zu beachten ist, daß im Falle der Körperverletzung 
Alimentations-Ansprüche fremder Personen nicht beachtet, 
deshalb auch nicht crsatzberechtigt sind, wie für den Fall der 
Tödtung. Wird sich auch der Werth derselben bei Berechnung 
des Vermögensnachtheils des alimentationspflichtigen Verletzten 
geltend machen, so haben doch die Alimentenberechtigten keinen 
Anspruch gegen den Haftpflichtigen. 
bb. Die Erwerbsfähigkeit bestimmt sich auch bei dem Ver 
letzten nach dessen gesammter bisher erwiesener Erwerbskraft, 
nicht nur nach dem Erwerbe aus oder bei dem Betriebe, dessen 
Unternehmer haftpflichtig ist. Der Ausfall des Erwerbes ist 
aber von letzterem nur insoweit zu ersetzen, als er durch die 
Verletzung verursacht ist. Ein Rentier z. B., der selbst ein 
Bein verloren hat oder sonst verstümmelt ist in Folge der Ver 
letzung, wird dadurch noch nicht erwerbsunfähig, kann also 
höchstens Heilungskosten fordern vom Haftpflichtigen. Aehnlich 
verhält es sich bei allen Erwerbsarten, welche durch die Kör 
perverletzung nicht beeinträchtigt werden. Natürlich bleiben die 
nach andern Gesetzen oder Rechtsgrundsätzen, außer den Haft 
pflichtansprüchen, zustehenden Entschädigungsrechte bestehen 
(s. u. zu § 9). 
c. UnerlaubterErwerb oder rein vomZufall abhängiger 
Gewinn, wie ihn Bauernfänger, bezahlte Agitatoren, Spieler, 
Wahrsagerinnen, Huren u. s. w. erzielen, kommt im Falle der 
Tödtung oder Körperverletzung gegen Haftpflichtige nicht zum 
Ersätze. Ebenso wird die gewerbsmäßige Bettelei nicht als er 
satzberechtigter Erwerb anzusehen sein. Da alle hier genann 
ten Personen bekanntlich gern auf Reisen gehen und dabei die 
Eisenbahnen benutzen, so ist die Frage ihrer Ersatz-Ansprüche 
hier keineswegs eine müßige. — 
d. Die Vertretung des Verletzten in seinem Gewerbe 
durch unentgeltlich arbeitende Personen, als: nahe Verwandte, 
Lehrlinge u. s. w. schließt den Anspruch ans Ersatz des durch 
Erwerbsunfähigkeit erlittenen Vermögensuachtheils nicht aus. 
Denn das Gesetz sagt ausdrücklich, daß letzterer, „in Folge der 
Verletzung" eingetreten, ersetzt werden muß. Im Uebrigen hat 
der Haftpflichtige keinen Anspruch auf unentgeltliche Dienste 
der bezeichneten Vertreter, um so weniger, als eben durch die 
Thatsache der Vertretung die Erwerbsunfähigkeit des Verletzten 
bewiesen wird. 
7. Bei dem Schadensersätze handelt es sich auch um die 
Frage, ob und wie der Ersatzberechtigte seine Ansprüche auf 
andere Personen überträgt? Diese Frage beantwortet sich 
bei den verschiedenen Ersatz-Kategorien folgendermaßen: 
a. Beerdigungskosten-Ersatz steht Jedem zu, der diese 
Kosten bestritten hat. Es geht also das bezügliche Klagerecht 
auf Jeden über, der den Belag der Bezahlung oder Veraus- 
lagung des Begräbnißaufwandes producirt, namentlich auch 
aus Armenverbände, Gemeinden, Begräbnißvereine, Sterbe 
kassen u. s. w. Denn das Gesetz ordnet den Ersatz dieser 
Kosten ohne Unterschied der Empfänger an. 
Daß die Forderung der Beerdigungskosten wie jeder an 
dere Entschädigungsanspruch durch Willenserklärung unter Le 
benden und von Todeswegen sowie durch die gesetzliche Erbfolge 
übertragen werden kann, bedarf keiner weiteren Ausführung. 
b. Die Heiluugs- (Cur-) Kosten-Ansprüche gehen wie 
die Beerdigungskosten auch auf dritte Personen über. 
c. Anders verhält es sich bei dem Erwerbs-Verluste. 
Die Erwerbssähigkeit ist eine rein persönliche Eigenschaft des 
Verletzten und hängt in ihren Erfolgen von Leben und Ge 
sundheit desselben ab. Soweit der Verlust derselbeu und der 
dadurch bewirkte Vermögensnachtheil noch nicht feststeht, sei es 
durch Vergleich, Richterspruch oder sonst definitive Entscheidung, 
ist er übertragungsfähig nur insoweit, als unbestimmte und 
zukünftige Ansprüche civilrechtlich auf Andere übergehen kön 
nen. Ein Klagerecht Dritter kann sich hienach immer nur für 
bereits feststehende oder fällige Beträge der Erwerbs-Entschädi 
gung statuiren. — Vergl. hierzu auch § 7, wo die Unsicherheit 
und Unbestimmtheit des hier in Rede stehenden Anspruchs durch 
gesetzliche Bestimmung noch gesteigert wird. 
d. Aehnlich verhält es sich mit den in § 3 Nr. 1 be 
stimmten Alimenten- Ansprüchen. Diese stehen einer andern 
Person, als dem Verletzten, von vornherein zu, können des 
halb auch nur von dem Berechtigten gegen den Haftpflichtigen 
geltend gemacht und ebenso auf Dritte nach den Vorschriften 
des Civilrechts übertragen werden. Zu beachten ist dabei, daß 
es sich im vorliegenden Falle nur um gesetzliche Alimenten- 
Ansprüche handelt (s. o. unter Nr. 5), nicht auch um vertrags 
mäßige oder aus unerlaubten Handlungen entsprungene. — 
Diese können nur gegen den Verletzten selbst geltend gemacht 
werden. 
Eine Rechtsfrage wäre, inwieweit dem Haftpflichtigen 
z. B. im Falle des Concurses oder sonst eintretender Insolvenz, 
der Einwand zu Statten kommen kann, daß er durch Zahlung 
der durch das Hastpflichtgesetz überkommenen Alimente an 
Dritte „die Seinigen pflichtmäßig zu ernähren unvermögend 
werde."*) - 
e. So weit die Ersatz-Ansprüche aus Dritte durch Willens- 
Erklärung oder Erbfolge übertragen werden, sind sie auch Ge- 
*) Vergl. z. B. § 129 Allgem. Landrecht Th. I. Tit. 6. — Jeden 
falls steht dem Haftpflichtigen der Einwand zu, so weit er nicht aus 
eigenem Verschulden, sondern nur nach der in §§ 1- 2. des Haftpflicht 
gesetzes überkommenen subsidiären Haftbarkeit die Alimentenzahlung zu 
leisten hat. — Unter Umständen kann es sich, namentlich bei Eisenbahn- 
Unfällen, um sehr bedeutende Alimentenbeträge handeln, da dem Richter 
nach § 6 die Bestimmung derselben zusteht, auch der wirkliche Bezug 
des Unterhalts ersetzt werden muß.
	        
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