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sind rasch gezählt und zusammengelegt und damit ist der Kontrakt ab
geschlossen. Die Arbeiter setzen sich auf die Fuhrwerke und werden,
von dem Verwalter begleitet, auf das Gut geführt. Es ist keine Zeit,
sich mit schriftlichen Kontrakten abzugeben.»
Die mündlichen Verträge werden oft zu Ungunsten der Arbeiter
ausgelegt. — Das Gesetz vom Jahre 1886 gibt keine obligatorischen
Bestimmungen über die Schriftlichkeit der Verträge. Es überlässt sie
dem Belieben beider Parteien. Es gestattet auch dem Arbeitgeber, die
Verträge mit den Arbeitern auch in der Form der sog. «Vertragsschriften»
abzuschliessen. Die spezifische Eigentümlichkeit solcher Vertragsschrift
ist die, dass der Arbeitgeber darin solche Bedingungen aufnehmen kann,
die durch das Gesetz verboten sind. Wie man aus der im Anhang an
geführten Verlragsschrift sieht, sind darin keine Bestimmungen über die
Nahrungs- und Wohnungsverhältnisse enthalten; auch die Arbeitszeit
und die Feiertage setzt tatsächlich nur der Arbeitgeber fest. Der Ar
beiter aber wird nur verpflichtet, sich nicht zu weigern, jede vom Arbeit
geber aufgetragene Arbeit auszuführen. Auch enthält das Gesetz vom
Jahre 1886 keine Bestimmungen über die Nahrungs- und Wohnungs
zustände. Zwar lautet der Art. 32, dass die Nahrung —• wenn der Ar
beiter bei Verköstigung gedungen wird — befriedigend sein muss und
«der Nahrung entsprechen soll, an die der Arbeiter gewöhnt ist», doch
da das Gesetz dem Arbeitgeber keine Strafe bei Nichterfüllung dieser
Bestimmung androht, so kommt dieser Artikel niemals zur Anwendung.
Das Gesetz verbietet einen Vertrag für längere Zeit als auf ein Jahr.
Keine Strafe erhält der Arbeitgeber für Nichtbezahlung des Lohnes an
den Arbeiter; er ist nur verpflichtet, diesem in einer bestimmten Frist
ho Kop. für jeden nichtbezahlten Rubel und für jeden nichtbezahlten
Tag auszuzahlen (Art. 45).
Dagegen kann der Arbeitgeber den Arbeiter bei eigenmächtigem
Verlassen durch die Polizei festnehmen und mit einem Monat Haft be
strafen lassen. Die Arbeiter verlassen trotz dieser Strafandrohung den
Arbeitgeber sehr häufig. Es sind ewige Klagen der Arbeitgeber, dass
die Arbeiter ihren Verpflichtungen nicht immer nachkommen. Manchmal
sind diese Klagen auch nicht ungerechtfertigt. Es kommt sehr oft vor,
dass die Arbeiter, die am Anfang der Saison sich zu einem niedrigen
Lohne verdungen haben, zur Zeit der Getreideernte, wenn die Löhne in
die Höhe gehen, ihren Arbeitgeber verlassen und sich auf einem anderen
Gute gegen höheren Lohn verdingen. Das geschieht so oft und so regel
mässig, dass kein Strafmittel, auch die Verhaftung, die Arbeiter davon
abhalten kann. Die Haft wird von den Arbeitern nur als eine Ver-