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besitzer stellt einheimischen Bauern sowie auch Wanderarbeitern eine
kleine Hütte mit einem kleinen Grundstück zur Verfügung. Das Land
wird vom Teilpächter bestellt, der sich verpflichtet, dem Grundbesitzer
den grössten Teil - meistens drei Fünftel der Ernte abzugeben. Für die
Hütte und Ländereien, die dem persönlichen Bedarf des Teilpächters
dienen, wird dem Gutsbesitzer Pachtgeld bezahlt. Zu einer solchen
Teilpacht greift der Gutsbesitzer nicht so sehr wegen des Mangels an
Arbeitskräften als infolge seines Strebens, möglichst viel Land als Acker
land und als Saatfeld zu benützen.
Die Teilpacht wird gegenwärtig in Neurussland unumgängliche
Bedingung, ohne welche keine Bewirtschaftung der gutsherrlichen Wirt
schaft möglich ist, da es dem Gutsbesitzer ermöglicht wird, mit den
geringsten Produktionskosten das ganze ihm gehörende, kulturfähige
Land zu nutzen. Die Steppen bilden jetzt ein Meer von Weizen, Gerste,
Hafer; als kleine grüne Inseln treten Mais und Flachs hervor, hie und
da tauchen gleich gelben Flecken die von der Sonne halb verbrannten
Gemüsefelder auf. Erwähnen wir noch die ausgezeichneten Wasser
transportverhältnisse, so wird uns das stychienrnässige, manchmal als
wahnsinnig erscheinende Streben der meisten der Gutsbesitzer nach
Vermehrung der Anbaufläche auf Kosten der Weiden, Wiese und Brache
vollständig erklärlich, in der Praxis wird diese Tendenz durch die Teil
pacht mit einem grossen Erfolge verwirklicht. 1 )
Trotz der starken Verbreitung ist die einjährige Kleinpacht und
die Skopschtschina, .bei der Bezahlung des Pachtschillings nicht in Geld,
sondern in natura erfolgt, nicht die vorherrschende Pachtform in Süd
russland. Dank der günstigen wirtschaftlichen und natürlichen Vor
bedingungen hat sich hier kapitalistisches Pachtsystem entwickelt. Neben
einer starken Nachfrage nach einer Nährpacht seitens der besitzlosen
Bauern und Kleinbesitzer besteht in den neurussischen Gouvernements
die Pacht, zu der die wohlhabenden, bäuerlichen Grundbesitzer nicht zu
Unterhaltszwecken, sondern zu Unternehmungszwecken greifen.
Die neurussischen Gouvernements stehen an erster Stelle nach der
’) Russkija Wjedomosti a. a. D. Wie rentabel für die Gutsbesitzer diese Form
der Bewirtschaftung ist, wird durch die folgende Berechnung gezeigt. Nehmen wir an,
dass die Ernte 50 Pud pro Dess. beträgt, so erhält der Gutsherr 30 Pud pro I Dess.
Bei dem Getreidepreis zu 75 Kopeken pro Pud macht es 22 Rubel 50 Kopeken aus. Da
ein Drittel des Landes meistens unbestellt bleibt, so gibt die Ernte dem Gutsherrn
gewöhnlich nicht mehr als 15 Rubel. Wenn der Gutsherr auch nur drei Zehntel der
Ernte erhielte, so würde sein Teil nicht weniger als 7 Rubel 50 Kopeken betragen,
während der Pachtpreis im Durchschnitt 6--7 Rubel beträgt.