Full text: Das System der Rentengüter und seine Anwendung in Ungarn

so 
zu erschöpfen, anstatt, dass diese Baarmittel im Betriebe der 
neuen Wirtschaft Anwendung fänden. Jener Umstand, dass auch 
weniger bemittelte Elemente, ohne Risiko, mit welchem die 
Kapitalverschuldung verbunden ist, in grösseren Mengen hei 
mischen Grundbesitz erwerben können, sichert der Rentenschuld 
auch aus sozialpolitischem Gesichtspunkte eine grosse Be 
deutung. 
Die Anwendung der Rentenschuld ist zweitens — wie 
bereits vorher erwähnt — vom Standpunkte des Anerben von 
Bedeutung Baron und G i e r k e ersehen die grösste prak 
tische Bedeutung des Rentenprinzips in der Abfindung der 
Miterben. 1 ) Der Anerbe erbt bei Intestaterbfolge ungetheilt das 
den Nachlass bildende Grundstück und ist er gezwungen seine 
Miterben bis zur Höhe ihrer Erbantheile mit Baar zu befriedi 
gen; hiedurch wird er sehr leicht in die Zwangslage versetzt,, 
unter ungünstigen Bedingungen ein Darlehen aufzunehmen, wo 
durch er auf Kosten der wirksamen Bewirtschaftung seine 
eigene Betriebskapitalkraft nothwendigerweise schwächt. Zur 
Vermeidung dieses Übels dient das Institut der Rentenschuld, 
durch welche ermöglicht wird, dass der Anerbe, anstatt des 
Kapitalwerthes der den Miterben zukommenden Nachlassquote, 
zur Einzahlung einer diesem Werthe entsprechenden und seitens 
der Miterben unkündbaren Rente verpflichtet werde, während 
die Miterben nöthigenfalls ohne jedwede Schwierigkeit oder 
Opfer in der Lage sind, den Kapitalwerth ihrer Rentenforderun 
gen flüssig machen zu lassen. 
Um den zwischen Miterben und dem Anerben bestehenden 
Interessengegensatz durch institutionsweise Sicherung des Ren 
tenprinzips in dieser Weise zu beseitigen, bedürfen wir eines 
eigenst eingerichteten Kreditinstituts; das Kreditinstitut tritt 
zwischen den Rentenschuldner (Anerben) und den Rentengläu 
biger (Miterben), dadurch, dass es dem Rentenantheile ent 
sprechende als Kapitalschuldverschreibungen erscheinende Rem 
tenbriefe dem Rentengläubiger ausfolgt und die fälligen Renten 
raten vom Rentenschuldner einhebt, wodurch der Miterbe anstatt, 
über die Renten, über den Kapitalwerth des ihm zustehenden 
Erbantheiles, durch Verwerthung der Rentenbriefe, frei verfügen 
kann, ohne dass auf dem Miterben eine Kapitalschuld lasten 
würde. Knies (ibid S. 351) und Buchenberger (ibid S. 107) 
0 S.: Die Rede des Professors G i e r k e cit. Agrarkonferenz- 
Bericht. S. 27; D r. Baron: Das Rentenprinzip im Dienste des An 
erbenguts. (Jahrbücher f. Nationalökonomie u. Statistik III. F. B. II. 1893.. 
S. 812.)
	        
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