22
512
Dieses fiel verneinend aus. Beide Körperschaften verhielten sich
gegen den Gedanken einer ortsstatutarischen Einschränkung der
Sonntagsarbeit ablehnend. Darauf ersuchte die Gewerbedeputation
ihr eine größere Anzahl von Engrosfirmen zu nennen, die sie
einzeln befragen wolle. Beide Körperschaften machten auch eine
entsprechende Anzahl von Geschäftshäusern namhaft. Diese, einzeln
befragt, erklärten sich in ihrer überwiegenden Mehrheit mit der
ortsstatutarischeu Einschränkung der Sonntagsarbeit durchaus ein
verstanden. Man ersieht daraus, daß Gutachten von Handels
kammern nicht immer die wirkliche Stimmung der Beteiligten
wiedergeben. Charakteristisch ist es, daß die Hauptrufer gegen
die Sonntagsruhe vielfach solche Firmen sind, die selbst in ihrem
Geschäft Sonntags nicht arbeiten lassen, die aber aus Prinzip
jede gesetzliche oder Verwaltungsmaßnahme bekämpfen.
Welche Gründe werden nun für die Beibehaltung der jetzigen
Sonntagsruhe-Bestimmungen angegeben?
Wir müssen dabei zwischen Verkaufsläden und Engros
geschäften unterscheiden.
Für die Verkaufsgeschäfte wird folgendes geltend gemacht:
1. Fremdenverkehr,
2. Rücksicht auf die Landkundschaft,
3. Konkurrenz der Hausierer.
Daß der Fremdenverkehr nicht den Einfluß ausübt, den
man behauptet, beweist der Umstand, daß Ortschaften mit großem
Fremdenverkehr weitgehende Sonntagsruhe besitzen. Das beste
Beispiel bietet wohl Innsbruck, ebenso einige Schweizer Orte.
Auch in München wurde dieses Bedenken geltend gemacht. Trotz
dem wurde 1904 für die Monate Juni und Juli völliger Laden
schluß am Sonntag angeordnet. Das Ergebnis war, wie überein
stimmend berichtet wird, kein Ausfall, sondern ein erhöhter Um
satz an Wochentagen.
Wichtiger ist die Berücksichtigung der Landkundschaft, die
tatsächlich vielfach an Sonntagen die Einkäufe besorgt. Aber es
ist nicht bewiesen, daß die Einkäufe nicht auch an Wochentagen
in der für die Landwirtschaft stillen Zeit erfolgen könnten und