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Was den Großhandel anbetrifft, so sei noch einmal ans die
großen Handelsvölker verwiesen, die volle Sonntagsruhe besitzen.
Für den Kleinhandel aber lassen sich die Zeugnisse auf
Grund der Erfahrungen seit Inkrafttreten des Gesetzes beliebig
dafür häufen, daß der frühere Ladenschluß und die Sonntags
ruhe mit Notlage des Kleinhandels nichts zu tun haben. (Vgl.
die Ausführungen Seite 5.)
Es handelt sich bei diesem zähen Festhalten der Kleinhändler
an langen, bis in den Sonntagsabend dauernden Geschäftszeiten
um schlechte Gewohnheit, volkswirtschaftliche Unkenntnis, Rücksicht
auf den Schlendrian einzelner Kunden, vor allem mancher weib
lichen Kunden und um Mangel an Selbstgefühl, an Standes
bewußtsein.
Wer darf sich noch wundern, wenn Angehörige anderer Stünde
im Besitz einer maßvollen, vernunftgemäßen Arbeitszeit hierüber
den Kopf schütteln. Bedauerlicherweise leidet dann darunter oft
die Hochschätzung vor dem Stande überhaupt.
Heute, da sich die Notwendigkeit und Möglichkeit voller
Sonntagsruhe im Handelsgewerbe herausgestellt hat, kann —
abgesehen von Übergangsbestimmungen — die Sonntagsoffen
haltung entbehrt werden.
Wir brauchen volle Sonntagsruhe.
Zu Nr. 3.
In G.O. § 105 b Abs. 2 läßt nun ferner der Gesetzgeber
im weitestgehenden Maße Ausnahmen über die 5 ständige Ar
beitszeit hinaus bis auf 10 Stunden zu. Für die letzten vier
Wochen vor Weihnachten, sowie für einzelne Sonn- und Festtage,
an welchen örtliche Verhältnisse einen erweiterten Geschäftsverkehr
erforderlich machen, kann die Polizeibehörde eine Vermehrung der
Stunden, während welcher die Beschäftigung stattfinden darf, bis
auf 10 Stunden zulassen.
Zwar betonte nun der Handelsminister Frhr. v. Berlepsch im
Reichstag am 5. Mai 1891, daß die Ausnahmen von der Regel
der wenigstens teilweise eingeführten Sonntagsruhe möglichst zu
beschränken seien.