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wo er tätig ist, als der Eigentümer selbst. Doch wie kann diese Tat
sache die Industrie beeinflussen? Unter der Herrschaft des Privat
eigentums kann sie es augenscheinlich nicht; denn es handelt sich hier
um eine sittliche Anschauungsweise, die sich in das Schema der heuti
gen Industrieordnung nicht einfügt. Wir mögen dies zusammen mit
einer anderen Reihe von Umständen, an die wir denken, ausdrück
lich betonen. Es kann ein Staat, wo mit größter Unparteilichkeit
Recht gesprochen wird, dennoch von der Gerechtigkeit weit entfernt
sein, weil die Lebensbedingungen der einen Klasse im Vergleich mit
einer anderen so ungleich sind, daß das Walten der Gesetzlichkeit
unbillig wird.
Der Staat, der die politische Persönlichkeit des Ganzen darstellt,
ist in diesen Dingen der allein mögliche Richter, er denkt und fühlt
für die Gesamtheit, deren Leben sein eigenes ist. Deshalb ist er am
geeignetsten, die Wirkung der individuellen Handlung auf das Ganze
und auf andere Individuen abzuschätzen. Und in seinem Tun sollte er
nicht einem Richter nacheifern, der Verdienst und Vergehen nach
vollbrachter Tat ausmißt, sondern er sollte die Umstände so organi
sieren, daß er Übeln vorbeugt. Der kollektive Wille und das gemein
same Interesse sollten sich die gesellschaftlichen Mächte in einer
Weise unterordnen, daß sie nur dem Wohle und nicht der Ausbeutung
des Ganzen dienten. Hier stoßen wir auf die felsige Schicht, die das
Fundament des Sozialismus trägt.
Das soziale Verantwortlichkeitsgefühl, die Schwachen zu schirmen,
entspringt einem anderen Umstande. Gewisse Rücksichten auf die
rein menschlichen oder geistigen Eigenschaften der Individualität
sind mit der Pflicht verknüpft, dem sozialen Individuum Schutz und
Freiheit zu sichern, was sich deutlich daran zeigt, daß der Widerwille,
den das soziale Individuum bei dem Anblick von unverschuldet in
Not geratenen Mitmenschen empfindet, nach der Staatshilfe ruft.
Der Staat handelt also als treue Stütze der vorwärtsschreitenden
Menschheit, indem er sich der Waisen, der Lahmen, der Krüppel, der
Blinden und der Geisteskranken annimmt, die Kinder durch Gesetze
schützt, bejahrten Männern und Frauen den Genuß einer Rente
verbürgt und dem wirtschaftlich Schwachen, wie dem Arbeitslosen
z. B., helfend die Hand reicht.
Hier erhebt sich aber ein nicht unwichtiges Problem. Es könnten