Full text: Weltwirtschaftliche und politische Erdkunde

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ZWEITER TEIL: DER VERKEHR 
3. In west-Östlicher Richtung und umgekehrt verlaufen: 
derNord-Expreß: London—Köln—Berlin— Warschau; der Wien-Nizza- 
Expreß (Semmering-Expreß): Wien—Semmering-— Klagenfurt—Villach— 
Verona — Mailand — Nizza — Cannes; der Schweiz-Arlberg-Wien-Expreß: 
‘London, Paris) — Basel —Zürich—Bludenz—Innsbruck—Salzburg—Wien. 
Die aufgeführten Expreßzüge sind nur ein Teil der vorhandenen, 
auf weite Strecken durchlaufenden Linien, die übrigens durch Schaffung 
neuer Anschluß- und Querverbindungen sich dauernd verändern und 
im ganzen vermehren. Insbesondere hat der Verkehr von Berlin aus 
direkte Anschlüsse nach allen Hauptplätzen der nordischen und baltischen 
Staaten. 
Durch die zwischen der längsten europäischen Überland- 
strecke (Lissabon — Paris — Berlin — Warschau) und der Sibirischen 
Bahn bestehende unmittelbare Gleisverbindung über Moskau und 
Tscheljabinsk hat Europa Anteil an dem längsten Schienenwege 
der Erde, der Interkontinentalbahn (weil zwei Kontinente ver- 
bindend) Lissabon — Moskau — Tschelijabinsk — Irkutsk — Wladiwostok 
13500 km). 
Das Herzstück und als solches den wichtigsten Teil des euro- 
päischen Bahnnetzes bildet das deutsche Bahnnetz, das auch noch 
nach seiner Verkleinerung in seiner Gesamtlänge die Netze aller anderen 
europäischen Länder übertrifft. Seine Bedeutung für den europäischen 
Gesamtverkehr kommt zum Ausdruck durch die große Zahl seiner 
internationalen Durchgangslinien und seiner Anschlüsse an die Bahn- 
linien der Nachbarländer. Im alten Deutschland kam längs der West- 
und Südgrenze auf je 40 bis 60km, längs der Ostgrenze auf je 182km 
Grenzlänge ein Bahnübergang‘. 
Teils mit der oben geschilderten europäischen Stellung des deutschen 
Netzes, teils auch mit dem Umstand, daß in den Einzelstaaten des 
Deutschen Reiches die Eisenbahnen sich lange Zeit hindurch selb- 
ständig entwickelten, hängt es zusammen, daß dem deutschen Bahn- 
netz ein alles beherrschender Mittelpunkt fehlt. Vielmehr haben sich 
mehrere große Brennpunkte herausgebildet. Die wichtigsten sind 
Berlin, der Mittelpunkt des norddeutschen, und Köln, der Haupt- 
knotenpunkt des überaus dichten niederrheinischen Netzes. Andere 
sind auf der nebenstehenden Eisenbahnkarte leicht zu erkennen?. Der 
Verlust der uns durch den Versailler Vertrag entrissenen Landgebiete 
bedeutet nicht nur die gleichzeitige Einbuße von rund 7000 km Eisen- 
bahnlinien, sondern auch eine Zerreißung unseres Eisenbahnnetzes 
durch den Polnischen Korridor, deren wirtschaftliche und politische 
Nachteile durch die uns vertragsmäßig zugestandenen „Korridorzüge“ 
nur in sehr geringem Maße gemildert werden. Daß auch im einzelnen 
viele Maßnahmen getroffen wurden, die eine schwere Beeinträchtigung 
1 Darin kamen die Unterschiede in der Stärke der wirtschaftlichen und kulturellen Be- 
ziehungen zu unseren Grenznachbarn deutlich zum Ausdruck. Heute ist diese Abgeschlossenheit 
nach Osten fast noch größer, nachdem von 29 ehemaligen Bahnanschlüssen an der Ostgrenze in 
den polnisch gewordenen Gebieten 15 ganz weggefallen und der Zugverkehr auf den polnisch 
zewordenen Strecken stark vermindert worden ist. 
2 Vergleiche im Gegensatz dazu das Bahnnetz Frankreichs, in dessen Mittelpunkt, wie die 
Spinne im Netz, Paris liegt.
	        
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