Ergebnisse und Schlußbemerkungen.
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IV. Ergebnisse und Schlußbemerkungen.
Die ziffernmäßigen Ergebnisse unserer Untersuchung über die Entfaltung der frei
willigen sozialen Fürsorge im Deutschen Reiche innerhalb des Zeitraums 1883
bis 1912 tragen entschieden einen imponierenden Charakter.
Sie sagen, daß die verhältnismäßig begrenzten Nachforschungen eines einzelnen in
dieser Richtung einen Betrag von 1 654 956 369 M. festgestellt haben, also eine Summe
ergeben, die den dritten Teil der von den deutschen Arbeitgebern bisher geleisteten ge
setzlichen Ausgaben für Arbeiterversicherung ausmacht! Sie zeigen auch für die Jahre
1883—1905 und für das Jahr 1912 eine steigende Entwicklung, so zwar, daß die für
1912 quellenmäßig nachgewiesenen Ergebnisse fast genau den zehnten Teil der 30 jährigen
Gesamtsumme, nämlich 165 028 636 M., ausmachen. Für die Beurteilung dieser Ziffern
kann man gewiß gern zugeben, daß bei den Buchungen manche Einzelbeträge unterlaufen
sind, die nicht richtig rubriziert wurden oder die auch vielleicht nicht mit hineingehörten.
Aber andererseits tritt die Lückenhaftigkeit unserer Ermittlungen bei dem eingehenden
Studium der Tabellen klar zutage. Es war uns direkt daran gelegen, diese Lückenhaftigkeit
dadurch nachzuweisen, daß wir für 1912 die Ergebnisse nach Einzelstaaten und für Preußen
nach Provinzen zergliederten. Auch bei der Gruppeneinteilung sprechen die Einzelbeträge
dafür, daß die vom Verfasser herangezogenen Unterlagen für die Gewinnung eines zutreffen
den Gesamtbildes ungenügend waren. In diesem Sinne erscheint uns ebensowohl das positive,
als auch das negative Ergebnis unserer Arbeit ein Gewinn zu sein.
Als ein weiteres Ergebnis möchten wir die Anregungen bezeichnen, die aus der Fülle
des tabellarischen und beschreibenden Materials für die Gewinnung von Grundsätzen
für die allgemeine Wohlfahrtspflege gewonnen werden können.
Für uns knüpft sich an einen Überblick über das Ganze der Wunsch, daß einmal eine
amtliche Erhebung den wirklichen Umfang der freiwilligen Wohlfahrtspflege
der deutschen Arbeitgeber (wenigstens der Großbetriebe von vielleicht 500 Be
schäftigten an) feststellen möge. Bei einer solchen Erhebung müßten aber für die
Gewinnung eines Gesamtbildes nicht nur die regelmäßigen Zuwendungen (die selten
an die Öffentlichkeit kommen und deshalb nur in ganz geringem Umfange bei unseren
Feststellungen zur Verwertung gelangten) und die einmaligen Stiftungen und Vermächt
nisse der privaten Arbeitgeber, Aktiengesellschaften und Banken, sondern auch die Auf
wendungen für Angestellten- und Arbeiterwohlfahrt seitens der Arbeitgeberorganisationen,
der Syndikate, Genossenschaften, Gesellschaften m. b. H., industriellen Vereine usw. mit
erfaßt werden. Der schon in Abschnitt II hervorgehobene Einwand, daß es manche
Arbeitgeber nicht lieben, mit ihren Aufwendungen für freiwillige Wohlfahrtseinrichtungen
und für Stiftungen an die breite Öffentlichkeit zu treten, wäre hinfällig, wenn von amt
licher Seite eine Erhebung stattfände, da man ja den amtlichen Erhebungen volles Ver
trauen schenken kann und daher der quellenmäßige Nachweis der Einzelbeträge sich hier
erübrigt. Inder Art, wie dies bereits bei Produktionserhebungen und ähnlichen Feststellungen
geschieht, könnte auch hinsichtlich der deutschen Wohlfahrtspflege verfahren werden,
und die Ergebnisse brauchten nur in ihren Endsummen, etwa nach unserer Gruppen
einteilung, veröffentlicht zu werden. Es wäre zweifellos, daß diese Endziffern einen ebenso
berechtigten als eindrucksvollen Faktor in der Beurteilung unseres wirtschaftlichen und
sozialpolitischen Lebens geben würden.
Wenn die „Deutsche Ehrentafel“ zu einer solchen Entschließung den Anlaß
geben und den Weg für deren Erledigung angedeutet haben sollte, so wäre ein Hauptzweck
der vorliegenden Arbeit erreicht!