Full text: Einführung in das Studium der Konjunktur

1. Bis zum Beginn des großen Krieges. 
öl 
welchen Richtungen hin solche Gegensätze bestanden haben und 
möglich sind. Es sei nur kurz hervorgehoben, daß der tiefste 
Kern dieses Gegensatzes darin liegt, daß der einzelne Unternehmer als 
solcher kein unmittelbares Interesse an der Menge und an dei 
Beschaffenheit der von ihm erzeugten Brauchbarkeiten hat, daß ihm 
die Güterproduktion vielmehr nur ein Mittel ist, einen möglichst großen 
Ertrag zu erzielen. Das Handeln des Unternehmers ist auf das 
Erzielen einer größtmöglichen Rentabilität eingestellt. Die Frage ist, 
ob dieses Ertrags-und Rentabilitätsbestreben auch immer dazu führt, in 
der Volkswirtschaft unter gegebenen Verhältnissen die größtmögliche 
Menge an Brauchbarkeiten in möglichst vollkommener und nach 
haltiger Form zu erzeugen. Denn die Aufgabe der volkswirtschaft 
lichen Arbeit ist es ja, die Bedarfsdeckung des Volkes in möglichst 
vollkommener Weise durchzuführen, und es ist die vielumstrittene 
Frage, auf welche hier nicht weiter eingegangen werden kann, ob 
der Rentabilitätsgedanke der privaten Erwerbswirtschaft dieses Ziel 
in der denkbar vollkommensten Weise erreicht, oder ob es eine 
andere Organisation der Volkswirtschaft gibt, welche diesem Ziele 
besser gerecht wird. Für die betrachtete Zeit wird man aber jeden 
falls trotz mancher Ausnahmen im ganzen sagen können, daß in 
ihr eine solche Harmonie bestanden hat 1 ). 
Diese frühere Harmonie wird uns ganz besonders deutlich zu 
Bewußtsein kommen, wenn wir die Konjunkturentwicklung betrachten, 
wie sie sich während des Krieges und nach dem Kriege bei uns ge 
staltet hat. Wenn für diese Zeit eines feststeht, so ist es dies, wie 
wir gleich noch genauer sehen werden, daß hier von einer solchen 
Übereinstimmung privatwirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher In 
teressen keine Rede sein konnte. 
Wenn wir nun zusammenfassend die Konjunkturentwicklung in 
Deutschland seit der Mitte der neunziger Jahre bis zum Beginn des 
Krieges betrachten, so kann man etwa die folgende Reihe aufstellen; 
1897—1900 Günstige Konjunktur, 1908—1909 Depression, 
1900—1903 Depression, 1910—1912 Günstige Konjunktur 
1904—1907 Günstige Konjunktur, 1913—1914 Depression. 
1 ) Über diesen Gegensatz habe ich eingehender gesprochen in meiner 
Schrift: Die Gefahr einer Übervölkerung für Deutschland. Tübingen 1919. 
Seite Ö4ff. Vgl. dazu auch Liefmann, Grundsätze der Volkswirt 
schaftslehre. 2. Band. 1919. S. 455 ff. Die Kapitalbildung und das Krisen 
problem. Liefmann weist hier darauf hin, daß in der Hausse durch An 
wendung billigerer uind neuerer Produktionsverfahren eine zu starke Verv 
nichtung vorhandenen Kapitals durch dieses neu investierte stattfinden kann 
und daß damit die Möglichkeit gegeben ist, daß hierbei das Streben der 
Einzelwirtschaft nach größtem Gewinn und das volkswirtschaftliche Interesse 
nach größter Wohlstandsförderung auseinandergehen können.
	        
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