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In den Diskussionen über die bezeichneten Fragen kain eine äußerst
gereizte Stimmung gegen die als „Revisionisten" bekannten oder für solche
erachteten Parteimitglieder zum Ausdruck, die sich aus der Tragweite der
Vorkommnisse, auf die sse sich unmittelbar bezog, nicht hinlänglich verstehen
läßt. Sie muß als Wiederausbruch von Verstimmungen über weiter
zurückliegende und unerledigt gebliebene Konflikte begriffen werden, die
durch jene Vorkommnisse und unerquickliche Zeitungspolemiken frische
Nahrung erhalten hatten. Gegen die sozialistischen Mitarbeiter an der
„Zukunft" Maximilian Karbens war aus dem einen oder anderen Grunde
auch sonst Mißtrauen vorhanden, während die Erregung über den Vor
schlag hinsichtlich der Vizepräsidentenfrage zu einem Teil auf Auslegungen
zurückgeführt werden muß, wonach er als eine Konzession an das Gottes-
gnadentum erschien.
In gleicher Stimmung und Auffassung wie Berlin nahmen die Kreis
konferenzen der beiden Vorortswahlkreise zu den bezeichneten Vorgängen
Stellung. Doch ließ es die Versammlung des Kreises Teltow-Beeskow-
Charlottenburg nicht bei der Negation bewenden. In einer längeren, von
Fritz Zubeil eingehend begründeten Resolution forderte sie die Reichstags
fraktion auf, durch ausgearbeitete Gesetzentwürfe, denen umfassende Be
gründungen und Denkschriften beizugeben seien, „die unermeßliche Schöpfer
kraft des demokratischen und sozialistischen Prinzips für die aktuelle Gesetz
gebung fruchtbar zu machen. Eine solche Tätigkeit zeige unter anderem die
Grenze und Schranke, wo innerhalb der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung
entscheidende Verbesserungen unmöglich werden", und wirke dadurch aufklärend
über und für das sozialdemokratische Programm. „And zu dieser Grenze
und Schranke, von der wir noch weit entfernt sind, zu gehen und alles
mögliche wirklich zu machen," heißt es ferner, „ist unsere Aufgabe in der
Tagespolitik," und zu diesem Zwecke „und zugleich im Interesse der
Stärkung des Parlamentarismus" wird die obige Tätigkeit empfohlen.
Auf dieser Generalversammlung, die am 30. August 1903 in Köpenick
tagte, waren 32 Orte mit 75 Delegierten vertreten.
Die Generalversammlung von Berlin und Provinz Brandenburg für
1903, die acht Tage darauf — am 6. September — in Berlin zusammen
trat, ratifizierte in einer längeren, von Art. Stadthagen begründeten
Resolution die vorerwähnten Beschlüsse hinsichtlich der Mitarbeiterschaft
an bürgerlichen Blättern und protestierte außerdem dagegen, daß die
damalige Redaktion des „Vorwärts" eine Einsendung August Bebels
nicht hatte veröffentlichen wollen, sowie gegen das Eingreifen Wolfgang
Keines bei der Reichstagswahl im Wahlkreise Marburg-Frankenburg,
das in der Aufforderung bestanden hatte, in der Stichwahl für den Sozial
liberalen von Gerlach gegen dessen konservativen Gegner zu stimmen.
Der weitere Inhalt der Resolution bezog sich auf Agitations- und
Organisationsfragen und traf in letzterer Linsicht namentlich Bestimmungen,
die geeignet erschienen, die Lücken in der bestehenden Organisation aus
zufüllen. Wie schon im Vorjahr hatte auch diesmal die Polizei darauf
bestanden, daß die weiblichen Delegierten sich aus dem Sitzungssaal ent
fernten, so daß diese auf den Tribünen Platz nehmen mußten, und wie im
Vorjahr wurde auch diesmal in einer Resolution gegen den Polizeiakt
Protest erhoben. Die Resolution forderte das Bureau auf, den Beschwerde-