Full text: Die Berliner Arbeiterbewegung von 1890 bis 1905

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Fortschritte waren, so waren es doch immerhin 
Maßnahmen zur Erhöhung der Verantwortung 
der Unternehmer und der Öffentlichkeit für die 
Verhältnisse der Konfektionsarbeiter, und dazu 
beigetragen, den unmittelbaren Anstoß dazu 
gegeben zu haben, daß diese Maßnahmen er 
folgten, war das Verdienst des so sorgfältig 
eingeleiteten und so umsichtig geführten großen 
Konfektionsarbeiterstreiks von 1896. And nur 
dem Erstarken des Schneiderverbandes in Berlin, 
dessen Mitgliederzahl, nachdem sie um die Jahr 
hundertwende das zweite Tausend erreicht hatte, 
bis auf über 6000 im Geschäftsjahr 1905/06 
stieg, ist es zuzuschreiben, daß dieser — zum Teil durch geschicktes Aus 
spielen der öffentlichen Meinung der auf allen Gebieten stärker organisierten 
Arbeiterschaft — seit der Jahrhundertwende doch dahin gelangt ist, eine 
ganze Reihe von Tarifverträgen auch mit Konfektionsgeschäften abzuschließen 
und eine ganze Anzahl von Konfektionsfirmen zur Einrichtung von Betriebs- 
Werkstätten zu bewegen. 
* 
2. Allgemeines. 
Diesem Kampf der Arbeiter einer Industrie, itt der die Schwitzarbeit 
überwiegt, war ziemlich fünf Jahre vorher ein großer Kampf in einem der 
privilegierten Gewerbe vorausgegangen, der zunächst mit einem Mißerfolg 
für die Arbeiter endete: Der Streik der Buchdrucker von 1891 für 
den Neunstundentag und Erhöhung ihrer Lohntarife. Auch er 
hatte nationalen Amfang, auch er aber ward in Berlin mit ganz besonderer 
Wucht und Energie geführt und zog hier mehr Angehörige des Berufs 
in Mitleidenschaft als an irgendeinem andern Platz Deutschlands. Trotz 
des Aufwandes großer Mittel mußte er nach zehnwöchiger Dauer resul 
tatlos aufgegeben werden. Da der Buchdruckerverband die älteste und als 
Vorbild betrachtete Gewerkschaft Deutschlands war, machte der Fehlschlag 
seines Ansturmes damals einen tiefen Eindruck. Im Anschluß an ihn geschah 
es, daß August Bebel im Januar 1892 in einer Riescnversammlung in 
Berlin den im vierten Kapitel erwähnten Vortrag über die Lehren der 
Gewerkschaftskämpfe hielt, der in so pessimistischen Schlüssen hinsichtlich der 
Gewerkschaften auslief. In der Folge erst zeigte sich, daß ein dem äußeren 
Schein nach abgeschlagener Ansturm der faktischen Wirkung nach oft durch 
aus kein vergeblich unternommener Versuch ist, sondern in seiner Nach 
wirkung doch zu positiven Erfolgen führen kann. Das Jahr 1896 brachte 
den Vertrag im Buchdruckgcwerbe, der mit der Verkürzung der Arbeitszeit 
auf 9Vs Stunden und einer Tariferhöhung jene Tarifgemeinschaft einführte, 
die sich der Organisation der Gehilfen, der Rechtsstellung der Buchdrucker 
in ihrem Gewerbe überaus vorteilhaft erwiesen hat und alles in allem auch 
eine Landhabe ist, die Löhne auf jene Löhe zu bringen und zu erhalten, 
die in der heutigen Wirtschaftsordnung überhaupt zu erreichen ist. Mit 
der zweiten Lälfte der neunziger Jahre beginnt der große Aufstieg der 
Gewerkschaften Berlins. Die Organisationen festigen sich mehr und mehr, 
153. Kontrollmarke
	        
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