Vorwort.
Bewußtsein von der Art und dem Werte wissenschaftlicher Arbeit ge-
langt bin, und wenn ich auch heute in vieler Beziehung in sachlichem
Gegensatze zu Kelsen stehe, so werden mir Kelsens leidenschaft-
licher wissenschaftlicher Eifer und seine kühne Unabhängigkeit doch
stets vorbildlich erscheinen. Ich meine aber auch, daß von Kelsens
Lehren höchst bedeutsame gesellschaftswissenschaftliche Anregungen aus-
gehen. In diesem Zusammenhange will ich nur erwähnen, daß Kelsens
Gedanke, daß „Gesellschaft“ etwas „Normatives“ sei, schließlich dazu
führen muß, dem Gegebenen „Anspruch“ eine für die Gesellschafts-
wissenschaft grundlegende Bedeutung zuzumessen, wie denn überhaupt
Kelsens Begriff der „Norm“ eigentlich den Begriff des „Anspruches“
in sich schließt, wie sich aus Kelsens Unterscheidung von „Norm“
ınd „Naturgesetz“ ergibt. Aber auch Kelsens Betonung der Begriffe
‚Zurechnung“ und „Sollen“ weist einen gesellschaftswissenschaftlichen
Weg, den ich in meinem vorliegenden Werke beschreite. So ist es
mir denn eine wahre Freude, Hans Kelsen an dieser Stelle den Aus-
druck meiner Ergebenheit und Verehrung übermitteln zu können!
Prag, im März 1930.
Fritz Sander.