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genstand der Übertragung im Wege des richterlichen oder admini
strativen Executiousv ersah rens (Zwangsvollstreckung.) —
§ 4. War der Getödtete oder Verletzte unter Mitleistung
von Prämien oder anderen Beiträgen durch den Betriebsunter
nehmer bei einer Versicherungsanstalt, Knappschafts-, Unter-
stützungs-, Kranken- oder ähnlichen Kasse gegen den Unfall
versichert, so ist die Leistung der Letzteren an den Ersatz
berechtigten auf die Entschädigung einzurechnen, wenn die
Mitleistung des Betriebsunternehmers nicht unter einem Drittel
der Gesammtleistung beträgt.
1. Schon in ten „Mot." fand sich folgender Paffuö zur
Erläuterung des § 5 des RegierungS - Entwurfs :
„Als selbstverständlich darf vorausgesetzt werde«, daß der
Richter bei Abschätzung des Schadens auch darauf werde
Rücksicht zu nehmen haben, ob etwa dem Verletzten oder den
Hinterbliebenen des Getödteten, insbesondere ans Grund von
Leistungen deö Ersatzpflichtigen, Pensions- oder sonstige
Entschädigungs-Ansprüche zur Seite stehen. Nur die
Schad lo 6 Haltung, nicht die Bereicherung des Beschädigten
kann das Gesetz im Auge haben."
Hiermit war die Idee, die Haftpflicht-Leistung durch
Anstalten vorsorglicher Versicherung erleichtern, ja vollständig
ersetzen zu lassen, vom Gesetzgeber selbst angeregt und gebilligt,
und hat im vorst. § 4 des Gesetzes einen Ausdruck gefunden,
der vollständig genügt, um die Tendenz des Gesetzgebers zu
verwirklichen. Freilich wäre es vielleicht praktischer gewesen,
den Weg der „Hilfskasten" oder der Unfall-Versicherung,
ohne die Umschweife des Haftpflichtgesetzes, sofort offen einzu
schlagen und zwar durch zeitgemäße und zweckentsprechende
Reform der bereits bestehenden Institute, als da sind: Eisen
bahn-Arbeiter- und Beamten-Unterstützungs- und Pensions-.
Kasten, Knappschafts-Vereine, gewerbliche Unterstützungskassen
ii. s. w. Hiermit wäre der deutschen Gesetzgebung das ihr
keineswegs besondere Ehre machende Hastpstichtgesetz erspart
worden. —
Wie wenig dasselbe im Stande ist, den Tendenzen des
Gesetzgebers zu genügen, beweisen auch die „Resolutionen",
welche der Reichstag gewistermaßen zur Ergänzung und Ver
vollständigung seiner legislatorischen Schöpfung angenommen
hat. Dieselben lauten:
1. Antrag Lasker: „Der Reichstag wolle beschließen,
den Reichskanzler aufzufordern, jedenfalls in der nächsten
Session, unter Mittheilung des bis dahin zu beschaffenden
statistischen Materials, den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen,
welches Normativ-Bedingungen für die Errichtung von
Kranken-, Hilfs- und Sterbekassen für Gesellen,
Gehilfen und Fabrikarbeiter anordnet."
ll. Antrag Dr. Hammmacher - v. Bernuth: „Der
Reichstag wolle beschließen, an den Bundeskanzler die Auffor
derung zu richten, Erhebungen zu veranstalten, welche die
Grundlagen für die Gestaltung gegenseitiger Versicherung der
gewerblichen und landwirthschaftlichen Beamten und
Arbeiter gegen die wirthschaftlichen Folgen der Körperver
letzung und T öd tun g in ihrem Berufe sowie für die Bil
dung von allgem. Alterversorgungs- und Jnvaliden-
Kasten umfassen."
Mit diesen Resolutionen ist der Bedeutung des § 4 für
die ganze Erledigung des Haftpfiichtgesetzes und seiner Ten
denzen die entschiedenste Anerkennung gegeben, d. h. der Ver
sicherung auf Grundlage des Gegenseitigkeitö-Princips die
Haftpflicht-Leistung bei Unfällen des Betriebes der Landwirth
schaft, der Industrie und des Verkehrs übertragen.
2. Was zunächst die Eisenbahnen anbetrifft, so haben
dieselben in Deutschland und Oesterreich bereits der oben an
gedeuteten Tendenz, die Ausführung des Haftpflichtgesetzes im
Wege der gegenseitigen Versicherung zu bewirken, Rechnung
getragen durch zweckmäßige Maßnahmen. Wir entnehmen
hierüber dem amtlichen Organe des „Vereins deutscher Eisen
bahn-Verwaltungen":*)
Unter den Gegenständen, welche der Verein der Privat-
eisenbahnen im Deutschen Reiche in seinen Bereich gezogen hat,
finden sich auch Maßnahmen zur Abschwächung der den Eisen
bahnverwaltungen durch das Gesetz vom 7. Juni 1871 (Haft-
pstichtgesetz) drohenden Nachtheile resp. Ersatzverpflichtungen
bei Verunglückungen und Beschädigungen von Menschen durch
den Bahnbetrieb.
Man hat eine solche Abschwächung der Folgen des Ge
setzes darin zu erblicken geglaubt, daß bei Eisenbahn-Unfällen
der gedachten Art die Gesammtheit der Vereinsmitglieder (oder
doch der dieser Vereinbarung Beitretenden) für die einzelne
Verwaltung eintritt und die Tragung der Entschädigungsan
sprüche gemeinsam übernimmt. Jedoch soll diese gemeinsame
Uebernahme der Entschädigungspflicht nur unter folgenden
Modificationen erfolgen:
Zunächst soll sich diese gegenseitige Versicherung nur auf
Unfälle beziehen, welche Paffagieren oder anderen nicht in
der Ausübung des Eisenbahnbetriebödienstes begriffe
nen Personen zugestoßen sind und auch auf diese nur insoweit,
als die zu zahlende Entschädigung im Ganzen einen Betrag
von 5000 Thlr. in Capital übersteigt, wobei Renten von
unbestimmter Dauer zum 12 V, fachen Betrage capitalisirt an
gerechnet werden. Entschädigungen, die diesen Minimalsatz
nicht übersteigen, und von höheren Entschädigungen der Be
trag von 5000 Thalern sind von derjenigen Verwaltung allein
zu tragen, welche dem Gesetze nach für den Schaden aufzu
kommen hat.
Die Repartition der über 5000 Thlr. hinausgehenden
Entschädigungen erfolgt in der Weise, daß vorweg mit 5 Proc.
die zunächst dem Gesetze gegenüber vertretungspflichtige Eisen
bahn belastet wird, während die Vertheilung der übrigen 95
Proc. auf sämmtliche Mitglieder in folgender Weise geschieht:
Die einzelnen Entschädigungen werden am Schluffe des
Jahres zusammengestellt und zur Hälfte nach der Zahl der ge-
sammten Wagen -Achsmeilen, zur Hälfte nach der Gesammt-
zahl der Personenmeilen repartirt.
Bei Letzteren wird jedoch die Personenmeile der IV. Classe
1 fach, die Personenmeile der HL Classe, insofern eine IV.
Classe überhaupt auf der betreffenden Bahn nicht existirt,
2fach, die Personenmeile der HL Classe beim VorMndensein
einer IV. Classe 3fach, die Personenmeile der 11. Classe 6fach,
die Personenmeile der 1. Classe lOfach gerechnet.
Die nach dem Gesetze vertretungspflichtige Eisenbahn
regelt die Ersatzansprüche im eigenen Namen und hat hierbei
volle Befugniß, sowohl die Berechtigung eines Entschädigungs
anspruches überhaupt anzuerkennen, als auch die Höhe der
Entschädigung und die Form, in der sie gewährt werden soll,
also namentlich ob in Capital oder Rente, zu vereinbaren
oder aber den Rechtsweg zu betreten.
Regreßansprüche gegen solche Personen, welche für einen
zunächst von der Eisenbahn zu vertretenden Unfall haftbar
sind (gegen Eisenbahn - Officianten, wie gegen dritte Personen),
werden von der regulirenden Verwaltung nach ihrem Ermeffen
und in ihrem Namen verfolgt. Die hierbei erlangte Summe
wird nach demselben Maaßstab vertheilt, wie die Entschädigung,
*) „Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen"
1871. Nr. 49 S. 1035 f.