Full text: Die Haftpflicht der Eisenbahn-, Bergbau- und Fabrik-Unternehmer

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Redaction des Gesetzes als selbstverständlich angenommen, daß 
die Beweisaufnahme zu dem „gesummten Inhalte der Ver 
handlungen" gehöre; auch ist in Alin. 3 des § 6 des Gesetzes 
dies indirect ausgesprochen worden. 
5. Die in 8 6 gegebenen Regeln gelten für alle Richter- 
Instanzen; im Uebrigen ist die allgemeine Regelung des 
Verfahrens der Civil-Prozeß-Ordnung zu entnehmen, nament 
lich auch über den „Beweis durch Eid". Dieser Beweis ist 
nach wie vor den Parteien anwendbar, und ist also die Zu 
schiebung und Zurückschiebung des Eides im Vorverfahren 
zulässig. 
Dagegen steht den Parteien kein Recht zu, die Verstattung 
zum Erfüllungs- oder Reinigungs-Eide zu fordern. Dies 
Recht ist durch Al. 3 des § 6 aufgehoben, indem hiernach dem 
freien Ermessen des Richters anheimgegeben ist, ob derselbe 
der einen oder der andern Partei noch einen Eid zur Ergän 
zung der vorgebrachten Beweise vor oder in seiner Entscheidung 
auflegen will. 
Es ist ferner dem Richter freigestellt, alle Beweisaufnah 
men, gleichviel, ob sie von einer Partei beantragt sind oder 
nicht, bewirken zu lassen, und zwar auch selbstständig, ohne 
daß ein förmlicher Proceß bereits mit einer Klage eingeleitet 
worden ist. Es gehört hierher besonders die „Einnahme 
des Augenscheins" und die „Aufnahme des Beweises 
zum ewigen Gedächtniß." Wie diese Beweismittel in je 
dem andern Processe benutzt und beantragt werden können, sind 
sie auch für den Haftpflicht-Proceß nicht ausgeschlossen, wes 
halb ein hierauf bezüglicher Antrag*) vom Reichstage mit Recht 
abgelehnt worden ist. Sowohl die bestehenden Gesetze, als 
auch die in Berathung begriffene neue Civil-Proceß-Ordnung 
des Nordd. Bundes enthalten über die fr. Beweismittel allge 
meine Vorschriften. Bei Bergbau-Unfällen kommen zudem 
Vorschriften der Bergpolizei**) zur Anwendung, welche it. A. 
auch eine amtliche Ermittelung der Ursachen, des Verlaufs rc. 
der Unfälle vorschreiben. Die betreffenden Verhandlungen sind 
in der Regel geeignet, die oben bezeichneten Beweismittel mehr 
oder weniger sactisch zu ersetzen. — Auch sind überhaupt bei 
allen Unfällen mit Beschädigung von Menschen allgemeine po 
lizeiliche Feststellungen über den Thatbestand vorgeschrieben, so 
bald sie strafrechtliche Verfolgungen veranlassen könnten. 
§ 7. Das Gericht hat unter Würdigung aller Umstände, 
über die Höhe des Schadens, so wie darüber, ob, in welcher 
Art und in welcher Höhe Sicherheit zu bestellen ist, nach freiem 
Ermessen zu erkennen. Als Ersatz für den zukünftigen Unter 
halt oder Erwerb ist, wenn nicht beide Theile über die Ab 
findung in Capital einverstanden sind, in der Regel eine Rente 
zuzubilligen. 
Der Verpflichtete kann jederzeit die Aufhebung oder Min 
derung der Rente fordern, wenn diejenigen Verhältnisse, welche 
die Zuerkennung oder Höhe der Rente bedingt hatten, in 
zwischen wesentlich verändert sind. Ebenso kann der Ver 
letzte, dafern er den Anspruch auf Schadenersatz innerhalb der 
Verjährungsfrist (§ 8) geltend gemacht hat, jederzeit die Er- 
*) Der Abg. Lesse hatte nämlich zu § 2 des Entwurfs folgenden 
Zusatz beantragt: 
„Der Beschädigte sowie der Betriebsunternehmer kann sofort nach 
geschehenem Unfälle die Ursache desselben durch Einnahme des Augenscheins 
so wie durch Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen feststellen 
lassen. — Der hierauf gerichtete Antrag ist innerhalb acht Tagen nach dem 
Unfälle beim Richter des Ortes anzubringen. Ueber diesen Antrag wird 
die Gegenpartei, wenn sie am Orte anwesend ist, gehört". — (Drucks. 
Nr. 75.) — Dieser Zusatz wurde jedoch abgelehnt. — Sten. Ber. S. 482. 
**) Vergl. Allg. Berggesetz vom 24. Juni 1865 §§ 204 ff. — Mit 
Bezug auf diese Bestimmungen sind für die Revier- (Bergpolizei-) Be 
amten besondere Instructionen erlassen. 
"Bad 1341 “«lg 
höhung oder Wiedergewährung der Kente fordern, wenn die 
Verhältnisse, welche für die Feststellung, Minderung oder Auf 
hebung der Rente maassgebend waren, wesentlich verändert sind. 
Der Berechtigte kann auch nachträglich die Bestellung 
einer Sicherheit oder Erhöhung derselben fordern, wenn die 
Vermögens Verhältnisse des Verpflichteten inzwischen sich ver 
schlechtert haben. 
1. Von dem vorstehenden § 7 des Gesetzes enthielt der 
Regier.-Entwurf § 5 nur den Satz: „Auch unterliegt es dem 
richterlichen Ermessen, ob ein Schadensersatz in einer Rente 
oder in Capital zuzubilligen ist." — 
Dieser Satz selbst erscheint überflüssig, da schon in § 6 
des Gesetzes das Arbitrium des Richters auch in Bezug auf 
Würdigung des Schadens anerkannt ist. Im Uebrigen finden 
sich ähnliche Vorschriften bereits in ältern materiellen und for 
mellen Rechtsbestimmuugen über Schadenersatzforderungen. *) 
2. Dem Gerichte steht nach § 7 die Bestimmung der 
Höhe des Schadens nach freiem Ermessen zu. Ob und 
wie es sich die Ueberzeugung von der Nichtigkeit seines Er 
messens verschaffen will, bleibt ihm völlig frei überlassen. Es 
kann auch dem Beschädigten einen Eid zum Beweise der Höhe 
des Schadens auflegen, und insofern kann man nicht sagen, 
daß „der Wllrderungseid (juramentum in litem) für die Processe 
nach diesem Gesetze völlig abgeschafft sei."**) Das Wesent 
liche des Schätzungseides besteht auch für die Haftpflicht-Pro 
cesse fort, wenn auch die Vorschriften der Landesgesetze über 
den Schätzuugseid (jur. in litem) für aufgehoben zu erach 
ten sind. 
3. Der Richter hat ferner völlig frei zu ermessen, „ob, in 
welcher Art und in welcher Höhe Sicherheit zu bestellen ist." 
Die Sicherheitsbestellung oder Cautious - Leistung ist im 
materiellen und formellen Civilrechte theils gesetzlich bestimmt, 
theils dem Ermessen des Richters überlassen, in allen Fällen 
aber bezüglich der Realisirung vom Antrage des Berechtigten 
oder Verpflichteten abhängig. Weder jene gesetzlichen Bestim 
mungen , noch diese Anträge der Parteien sollen bei Haftpflicht- 
Leistungen für den Richter maßgebend sein, vielmehr ist Be 
dürfniß, Art und Höhe der etwa zu bestellenden Sicherheit 
*) Vergl. z. B. §§ 119, 122, 126, 101, 102 Allg. Landrecht Th. 1. 
Tit. 6., und besonders hinsichtlich des Wittwen- und Waisen-Unterhalts 
sowie anderer zu gesetzlicher Alimentation berechtigter Personen bei tödt- 
lichen Unfällen §§ 107, 108, 109. 
Der obige § 7 schließt sich § 457 des Nordd. Civil-Proceß- 
Ordnungs - Entwurfs an. 
**) Vergl. Dr. Endemann, die Haftpflicht rc. S. 68, wo deducisi 
wird, daß das jur. in litem für Haftpflichtprocesse abgeschafft worden sei. 
Es wird dort ausgeführt, daß § 457 des Nordd. Civ. -Proc. - Ordn. - Entw. 
den Passus enthalte: „Das Gericht kann anordnen, dass der Beweisführer 
den Schaden eidlich schätze". — Dieser Passus sei in den § 7 des Haft 
pflichtgesetzes nicht übernommen worden, deshalb habe er keine Geltung 
für Haftpflichtprocesse. - Da das jur. in litem unseres Wissens in allen 
ältern Proceß-Ordnungen Deutschlands und auch in den neueren Ent 
würfen beibehalten worden ist, so besteht es kraft allgemeiner Proceßvor 
schrift auch für Haftpflichtprocesse fort. Der Würderungö- oder Schätzungs 
eid ist zudem das einzige Beweismittel, wenn aus andere Weise der 
Schaden nicht auögemittelt werden kann; daß dies einzige Beweismittel 
dem Richter der Haftpflichtprocesse entzogen sein soll, ist weder in den 
legislatorischen Quellen gesagt, noch nach §§ 6 und 7 des Gesetzes anzu 
nehmen. Ist dem Richter nach § 6 jede Beweisaufnahme auch über die 
Höhe des Schadens freigestellt, so muß ihm auch die Auflegung des 
Schätzungseides gestattet sein, schon weil ihm die Auflegung jedes Eides 
zukommt? Die Eides-Form oder Norm kommt dabei gar nicht in Be 
tracht. — Vergl. auch § 431 des Nordd. Entwurfs von I860, wo die 
Vorschriften der Landesgesetze über den Schätzungseid (jur. in litem) 
ausdrücklich aufgehoben sind, dem^ Richter aber allgemein überlassen ist, 
dem Beweisführer „die eidliche Schätzung des Schadens oder des In 
teresse" aufzugeben. — Es handelt sich also schließlich nur um die „Be 
zeichnung" des Eides. —
	        
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