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und kaum zu lösende Schwierigkeiten hinweisen.
Freilich die Wirklichkeit wartet nicht darauf, daß
man alle Probleme löst, ehe man handelt und
immer wieder ist der Mensch gezwungen, energisch
und ohne Zögern auf Gebieten vorzugehen, die
er keineswegs übersieht. Aber wenn er schon ohne
ausreichende Einsicht handeln muß, dann soll er
dies wenigstens wissen.
Dann wird die Tendenz Zurückbleiben, un
aufhörlich an der Erringung von Einsicht zu ar
beiten. Daran können alle Parteien in gleicher
Weise mitwirken. Man kann den Mechanismus
von Gewehren studieren, ohne sich damit für
oder gegen die Benützung der Gewehre zur Tötung
von Menschen auszusprechen.
Ich kann am Schluß nur nochmals wieder
holen, daß die Kriegswirtschaftslehre vor allem
eine kontinuierliche Pflege benötigt. Alle Kultur
beruht auf Erfahrungen und deren den Verhält
nissen entsprechende Verwertung. Die Kriegswirt
schaftslehre wird immer bedeutsamer, weil die
Kriegslasten immer stärker anwachsen, weshalb
man ihre Einwirkung auf dem Volkskörper syste
matisch studieren muß, soll nicht einmal ein Zu
sammenbruch stattfinden, den man nicht voraus
gesehen hat.
Man ist heute mehr als früher darauf aus»
die Belastungen der Bevölkerung, möglichst zweck
mäßig zu verteilen. Es gibt Fälle, in denen die
Kriegsrüstung anregend, andere in denen sie
lähmend wirkt. Diese Wirkungen genau zu unter
suchen und festzustellen, wann das eine, wann
das andere geschieht, ist eine Hauptaufgabe der
Kriegswirtschaftslehre.
Alle diese Probleme haben dazu geführt,
daß ich die Gesamtorganisation in den Mittel
punkt der Betrachtung gerückt habe. Insbeson
dere auch die Organisation der internationalen
Welt. Nur wenn man ganze Staatenverbände be
rücksichtigt, kann man die Wirkungen eines
Weltkrieges einigermaßen richtig prophezeien
lernen. Aber auch das kann nicht die Arbeit ein
zelner sein. Nur emsige Kooperation wird Erfolg
in dieser Richtung bringen. Insbesondere dürfte
das Zusammenwirken von Armee- und Zivilver
waltung in der nächsten Zeit eine größere Rolle
spielen als bisher. Armee- und Zivilverwaltung
haben ihr eigenes Leben. Das hat einen be
stimmen sozialen Zweck, aber diese Selbständig
keit kann auch zu Reibungen führen und zu un
nützer Kraftverschwendung. Derartige Konflikte
kommen aber nicht nur zwischen Zivil und
Armee vor. Auch innerhalb der Armeeverwaltung
und innerhalb der Zivilverwaltung gibt es Ri
valitäten, die zuweilen lähmend wirken. Diese
lähmenden Wirkungen sind umso stärker, je
fremder man einander gegenübersteht, je seltener
gemeinsam gearbeitet wird. Wird die Kriegs
organisation zu etwas, das alle Teile der Armee-
und Zivilverwaltung angeht, an der also gemein
same Kommissionen dauernd mitwirken, dann
nimmt auch das gegenseitige Verstehen zu,
und es wird allen klar, daß eine
starke Armee sich dauernd nur in einem starken
Volkskörper erhält. Eine Armee, die auf Kosten
der Volksgesundheit sich erhält, treibt Raubbau.
Freilich in welchem Falle die Armee den Volks
körper zu stark in Anspruch nimmt, wann da
gegen durch eine Schwächung der Armee die
Gesamtheit leidet, das kann man allgemein kaum
angeben. Aber das man überhaupt diesen grund
legenden Fragen dauernde Aufmerksamkeit zu
wendet, wäre bereits ein gewisser Erfolg. Wenn
das Verständnis für den Volkskörper zunimmt,
dann werden auch die einzelnen Institutionen
richtiger gewertet werden, als dies heute vielfach
der Fall ist.
Alle Teile des Staates haben ein Interesse
daran, daß die übrigen Teile gedeihen, ln diesem
Interesse für einander besteht das wahre Staats
gefühl. Die Einheit des Staates besteht vor allem
darin, daß man sich gegenseitig kennt. Diese
gegenseitige Kenntnis fördert alle Wissenschaften
diesich mit dem Staatsorganismus beschäftigten.
Zu ihnen gehört auch die Kriegswirtschaftslehre.