Full text: Die Regierung im Kampfe gegen die Sozialverischerung

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Arbeitern und Löhnen. Gerade bei der Unfallversicherung ist das sozialpolitische 
Terrain ein überaus ungünstiges. Einzelne Anstalten haben nachgewiesen, daß 
ganze Bauten verschwiegen und der Versicherung entzogen wurden, daß Millionen 
Kronen an Barlöhnen und Naturalbezügen zu wenig angegeben wurden, daß die 
Uneinbringlichkeit der Prämien durch Vorschieben insolventer Personen erzielt 
worden ist. 
Manche Anstalt hat es anfangs versucht, mit Hilfe des Strafgerichtes Re- 
medur zu schaffen. In der Tat erklärte die Generalprokuratur, daß Beitragshinter 
ziehungen als Betrug zu qualifizieren seien. Das Ministerium des Innern 
legte aber dem Eifer der Anstalten Zügel an. Es wurde empfohlen, derlei 
Anzeigen nur nach, sorgfältiger Prüfung zu erstatten. Sie sind dann meist 
unterblieben. 
Ein bescheidener Anteil an der ungünstigen Situation der Unfallver 
sicherungsanstalten muß den hohen, unausgesetzt steigenden Verwaltungskosten zu 
geschrieben werden. Bei manchen großen Anstalten ist in vielen Richtungen 
nichts weniger als sparsam gebart worden, zuweilen ist die Verwaltung eine 
luxuriöse. 
Gegenüber diesen allgemein als Ursachen der Defizitwirtschaft anerkannten 
Momenten sucht die Regierung die Verschicdenartigkeit bei der Handhabung des 
Unsallversicherungsgesetzes, insbesondere bei der Rentenzuerkennung, in den Vorder 
grund zu rücken. Das will nichts anderes besagen, als daß die Defizitanstalten 
zu viele und zu hohe Renten gewährt haben und daß durch größere Strenge 
günstigere finanzielle Resultate zu erzielen gewesen wären und Wohl auch in Zu 
kunft auf diesem Wege anzustreben seien. An der Hand des amtlichen Materiales 
läßt sich aber nachweisen, daß die Defizitanstalten sich keineswegs von humanen 
Intentionen haben leiten lassen. Am allerwenigsten kann dies der Wiener An 
stalt nachgesagt werden. 
Belangreicher für die finanziellen Ergebnisse ist das, was man als die 
Auslese der ungünstigen Risken bei Bestimmung der Versicherungspflicht bezeichnet 
hat. Gesetzgebung und Verwaltung waren um die Wette bemüht, gerade die von 
den größten Gefahren bedrohten Betriebsgruppen und Bctriebsteile allein der 
Unfallversicherung zu unterwerfen, die günstigen Risken dagegen von ihr auszu 
schließen. Bald geschah dies zur Schonung der schwachen Schultern der Groß 
grundbesitzer und Großbauern, bald zur Rettung des kleinen Mannes, auch wenn 
er ein wohlsituierter Fabrikant war, dann wieder wegen der Schwierigkeiten, ab 
weichende Verhältnisse in der Gesetzgebung zu berücksichtigen. 
So sind bei der Landwirtschaft nur die maschinellen Betriebe versicherungs 
pflichtig, woraus ein erhebliches Defizit erwachsen ist. Bei den baulichen Hilfs- 
gewcrbcn unterliegen die Arbeiter nur dann der Bersichcrungspflicht, wenn sie 
einen Unfall am Ban erleiden, nicht aber für die Ereignisse in den Werkstätten 
und auf den Werkplätzen. Große Betriebe werden nicht als Fabriken erklärt, 
wenn der Unternehmer den Meistertitel führt und Lehrlinge hält. Hier ist auch 
die Möglichkeit zu Hinterziehungen geboten. 
Die Sanierungsvorschläge der Regierung. 
Was nun die Erlassung von Unfallverhütungsvorschristen betrifft, so wird 
ein solches Recht den Anstalten auch in der Zukunft nicht eingeräumt, im Gegen 
satze zu Deutschland, wo die Berufsgenosscnschaften durch solche Vorschriften 
manchenorts nützlich gewirkt haben. Dieses Verhalten der Regierungsvorlage ist 
ganz unverständlich. Offenbar soll dadurch den Wünschen der Direktoren Rech 
nung getragen werden, die mit den Unternehmern in keinerlei Konflikt zu kommen 
bestrebt sind.
	        
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