Full text: Die Berliner Arbeiterbewegung von 1890 bis 1905

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unter den Sozialdemokraten Berlins die Meinungen hinsichtlich jener Frage 
recht weit auseinandergingen, daß Anhängern der pessimistischen Auffassung 
Bebels Vertreter der Anschauung gegenüberstanden, daß die Gewerkschaften 
auch dem zentralisierten Kapital gegenüber noch manche Siege zu verzeichnen 
haben würden. Überall aber endeten die Debatten mit einmütiger Annahme 
der Kölner Resolution, das heißt mit Zustimmung dazu, daß, welches 
auch die weitere Zukunft der Gewerkschaften sei, sie in der Gegenwart für 
den organisierten Widerstand der Arbeiter gegen den Druck auf ihre Löhne 
und sonstigen Arbeitsbedingungen unentbehrlich seien und der Anschluß an 
die Gewerkschaft seines Berufes daher die Pflicht jedes sozialdemokratischen 
Arbeiters sei. 
Den Charakter von Konferenzen trugen auch Volksversammlungen, die 
sich Ende 1893 mit der Frage des Verhältnisses der Berliner Charit^ zu 
den Ortskrankenkassen beschäftigten und, zugleich mit einer Boykottbewcgung 
gegen die Charitch eine lebhafte Teilnahme am Werk einer um die gleiche Zeit 
ins Leben gerufenen Berliner Arbeiter-Sanitätskommission zur Folge 
hatten, über die ein anderes Kapitel berichtet. Das gleiche gilt von dem 
großen Kampf, den die Arbeiterschaft Berlins im Jahre 1894 mit dem 
Verein der Berliner Bierbrauereien führte und der nach sieben- 
monatiger Dauer mit einem starken Erfolg der Arbeiter endete. Dieser nach 
■Umfang und Art der Führung seinesgleichen suchende Kampf gab wieder 
holt zu Massenversammlungen der Sozialdemokratie Berlins Anlaß, von 
denen die meisten allerdings mehr ins Kapitel der Demonstrationen gehören. 
Nur in einigen der Versammlungen, die am 28. Dezember 1894 das Ende 
des Kampfes — des großen Bierboykotts — proklamierten, führten 
Meinungsverschiedenheiten über die Annehmbarkeit der Friedensbedingungen 
zu scharfen Auseinandersetzungen. Darüber jedoch im betreffenden Kapitel selbst. 
Aufsehen weit über Berlin hinaus und lebhafte Debatten verursachte 
eine Versammlung des zweiten Berliner Reichstagswahlkreises, in der am 
14. November 1894 August Bebel scharfe Kritik am Frankfurter Partei 
tag wegen dessen Ergebnislosigkeit in der Frage der Budgetbewilligung 
der Bayern übte und vor Nachgiebigkeit gegenüber den sich nach seiner 
Ansicht in der Partei breitmachenden spießbürgerlichen Tendenzen warnte. 
Ignaz Auer und Richard Fischer, die gleichfalls in der Versammlung das 
Wort nahmen, erklärten Bebels Urteil über den Frankfurter Kongreß für 
zu weit getriebene Schwarzseherei, unterstützten aber, wie in Frankfurt so 
auch hier seine Stellungnahme gegen gewisse partikularistische Tendenzen der 
Süddeutschen sowie gegen deren Zugeständnisse an mittelbäuerliche Interessen, 
und die Versammlung nahm einstimmig folgende, von Bebel beantragte 
Resolution an: 
„Die Versammlung der Parteigenossen des zweiten Wahlkreises be- 
dauert, daß der Parteitag sich nicht entschließen konnte, unseren Genossen 
in den Landtagen in bezug auf die Abstimmung über das Budget 
eine bestimmte Direktive zu geben, die um so notwendiger war, 
da die Anzeichen sich mehren, daß die Zerfahrenheit und die Unklarheit über 
die Einheit der Interessen und Grundsätze in der Zunahme begriffen sind. 
Die Versammlung legt entschieden Protest ein gegen die Auslassungen 
in dem Artikel der „Münchener Post" vom 30. Oktober d. I., über 
schrieben „Betrachtungen über den Parteitag", in welchem unter dem
	        
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