Full text: Die Berliner Arbeiterbewegung von 1890 bis 1905

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Vorgeben „berechtigte Bestrebungen" zu vertreten, dem spießbürger 
lichen Partikularismus Vorschub geleistet wird, was notwendig die 
Zerstörung der Einheit der Partei zur Folge haben muß. 
Die Versammlung protestiert ferner gegen den Artikel der „Mün 
chener Post", der in Nr. 41 des „Sozialdemokrat" abgedruckt ist und in 
dem es am Schluß wörtlich heißt: „Sollten die Verhältnisse der ein- 
zelnen Länder aus taktischen Gründen zeitweise ein getrenntes 
Marschieren notwendig machen, so werden wir unsere Gegner doch 
immer vereint schlagen, und das scheint uns die Hauptsache zu sein." 
Die Versammlung sieht in diesen Auslassungen das bewußte Be 
streben, die Genossen der einzelnen Länder in künstlichen Gegensatz 
zueinander zu bringen, das die schärfste Zurückweisung verdient." 
Zur Rede Bebels, die in den bayerischen Parteiorganen sehr heftige 
Erwiderungen hervorrief, in denen von einer „Schilderhebung Bebels" ge 
sprochen wurde, ward überall in der Parteipresse Stellung genommen, und 
ebenso beschäftigten sich eine Reihe von sozialdemokratischen Parteiver 
sammlungen Berlins mit ihr. Während aber im Lande die Meinungen 
geteilt waren, stellte sich Berlin fast einmütig auf die Seite Bebels. Nur 
hier und da legten aus Süddeutschland stammende Genossen für ihre Lands 
leute ein Wort ein. 
Im Jahre 1895 spielte um die Zeit des Breslauer Parteitages die 
Agrarfrage eine große Rolle in den sozialdemokratischen Parteiversamm 
lungen Berlins. Es wird vor und nach dem Parteitag lebhaft über das 
von der Agrarkommission der Partei entworfene Agrarprogramm diskutiert, 
wobei die Gegner des letzteren stets in der großen Mehrheit sind. Ferner 
tritt in diesem Jahre die Frage der Heranziehung der Frauen zur Agi 
tation und zur Organisationsarbeit stärker in den Vordergrund. Im Jahre 
1896 nimmt um die Zeit des Parteitages ein in der Redaktion des „Vor 
wärts" spielender Konflikt das Interesse der Berliner Mitgliedschaften in 
Anspruch. Wilhelm Liebknecht hatte einen in seiner Abwesenheit im „Vor 
wärts" erschienenen Artikel, der sich gegen Max Quarck in Frankfurt am 
Main richtete, öffentlich von sich abgewiesen und dadurch eine Kollektiv 
erklärung der anderen Redakteure hervorgerufen, an die sich ziemlich scharfe 
Auseinandersetzungen knüpften. Sie wurden in Berliner Parteikreisen lebhaft 
besprochen und fanden, als der Parteitag herannahte, einen Niederschlag 
in dem nach lebhafter Debatte am 17. September beschlossenen Antrag des 
dritten Reichstagswahlkreises, daß die Redaktion des „Vorwärts" zu allen 
wichtigen Parteifragen Stellung zu nehmen habe und Artikel einzelner 
Redakteure von diesen zu zeichnen seien. 
Im Jahre 1897 ist es die Frage der Beteiligung an den 
preußischen Landtagswahlen, welche, wie im übrigen Preußen, so 
auch in Berlin zum Gegenstand bewegter Auseinandersetzungen wird. 
Nachdem Bebel und Auer sich öffentlich für die Beteiligung ausgesprochen 
und vielfach Zustimmung gefunden hatten, die sich in Anträgen an den 
kommenden Parteitag niederschlug, mußte selbstverständlich auch Berlin 
zur Frage Stellung nehmen. Sie wurde in vielen Zusammenkünften dis 
kutiert und beschäftigte dann den Parteitag für Berlin und die Provinz 
Brandenburg, der am 12. September 1897 in Kellers Festsälen tagte und 
von 66 Delegierten besucht war, die 26 Kreise vertraten. Das Referat 
über sie hielt Max Schippel, der sich für die Beteiligung aussprach, und
	        
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