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Caprivi, Berlepsch, Boetticher usw. gegenüber eine andere Sprache als
gegenüber den Bismarck, Puttkamer, Eulenburg und Genossen, aber das
galt lediglich den Personen, von denen man wußte, daß jeder Tag ihre
Entlassung bringen konnte. Denn gleichzeitig wußte man auch und konnte
es aus Regierungserklärungen immer wieder aufs neue bestätigt erhalten,
daß die Reformen, soweit sie nicht aus rein technischen Gründen nbtig geworden
waren, nicht als Anfänge einer großen und systematischen politischen und
wirtschaftlichen Reforinpolitik, sondern bloß zu dem Zweck ins Werk gesetzt
wurden, der Sozialdemokratie möglichst Abbruch zu tun. Von einer Erweiterung
der Volksrechte war nicht die Rede, die kleinen Verbesserungen sollten im
Verein mit der Arbeiterversicherung das Wunder tun, in einer Zeit ununter
brochenen Wachstums der Arbeiterklasse diese von der Partei ihrer Klasse
abwendig zu machen. Als wenn es nie einen Dichter gegeben hätte, der
eine geschichtliche Wahrheit in die eindrucksvollen Verse niedergelegt hätte:
„Noch ist kein Fürst so hoch gefürstet,
So hoch gestellt kein ird'scher Mann,
Daß, wenn die Welt nach Freiheit dürstet,
Er sie mit Freiheit tränken kann.
Daß er allein in seinen Länden
Die Schale alles Rechtes hält,
Davon den Völkern auszuspenden,
Soviel, sowenig ihm gefällt."
Das genau Entgegengesetzte bekamen die Arbeiter vom Träger der
Krone zu hören. Schon in der Ansprache an die Deputation der westfälischen
Bergleute vom 16. Mai 1889 hatte es nach offizieller Darstellung geheißen:
„Sollten aber Ausschreitungen gegen die öffentliche Ordnung und
Ruhe vorkommen, sollte sich der Zusammenhang der Bewegung mit
sozialdemokratischen Kreisen Herausstellen, so würde ich nicht imstande
sein, eure Wünsche mit Meinem königlichen Wohlwollen zu erwägen.
Denn für Mich ist jeder Sozialdemokrat gleichbedeutend mit
Reichs- und Vaterlandsfeind. Merke Ich daher, daß sich sozial
demokratische Tendenzen in die Bewegung mischen und zu ungesetzlichem
Widerstande anreizen, so würde Ich mit unnachsichtlicher Strenge ein
schreiten und die volle Gewalt, die Mir zusteht — und die ist
eine große — zur Anwendung bringen."
Solche Betonungen des persönlichen Regiments und der Feindschaft
gegen die Sozialdemokratie wiederholten sich in wechselnden Formen immer
von neuem, ergänzt durch Berufungen aus die Macht des Kaisers und
Königs über die Armee und mittels der Armee über die Nation. „Der Soldat
und die Armee, nicht Parlamentsmajoritäten und -Beschlüsse haben das
Deutsche Reich zusammengeschmiedet," hieß es in einer Ansprache vom
18. April 1891, und „Mein Vertrauen beruht auf der Armee." Sieben
Monat später, am 23. November 1891, erfolgte die Rekrutenvereidigung
in Potsdam, bei der, nach der „Neißer Zeitung", der Kaiser den Rekruten
der Potsdamer Garderegimenter im Anschluß an deren Ableistung des
Fahneneides zurief:
„Ihr habt Mir Treue geschworen, das — Kinder Meiner Garde —
heißt, ihr seid jetzt Meine Soldaten, ihr habt euch Mir mit Leib und
Seele ergeben; es gibt für euch nur einen Feind und der ist Mein
Feind. Bei den jetzigen sozialistischen Amtrieben kann es vorkommen,
daß Ich euch befehle, eure eignen Verwandten, Brüder, ja Eltern nieder-
zuschießen — was ja Gott verhüten möge —, aber auch dann müßt
ihr Meine Befehle ohne Murren befolgen."