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ziehen. Da weder die zwei Nationalitäten, zu deren Gunsten
er geschaffen wurde, noch sonst irgendeine Nationalität
des habsburgischen Gesamtbesitzes in der Pragmatischen
Sanktion bevorrechtet ist, widerspricht schon seine Grund
idee, trotz der nach deklarativer Methode erfolgten Be
teuerung des ungarischen Gesetzartikels XII : 1867, dem
Geist der Pragmatischen Sanktion.
Tezner hat dargestellt 1 , wie der Kaisertitel des Ober
hauptes der Domus Austriaca geschichtlich entstanden ist,
dem Deutschen Reichsrecht entlehnt, mit staatsrechtlichem
Inhalt ausgestattet. Durch seine Proklamation im Jahre 1804
sei ein schon lange vorhandenes Rechtsverhältnis, die uni
versale, also Ungarn mitumfassende repräsentative Funktion
des Monarchen zum bewußten staatsrechtlichen Ausdruck
gekommen 2 . Aber das werbende Element für Einheit und
Zentralisation, das im österreichischen Kaisertitel ebenso
enthalten ist wie etwa in dem des neuen Deutschen
Reiches 3 , verleitete die späteren, separatistisch gesinnten
Nationalmadjaren, seinen Geltungsbereich anzuzweifeln.
Seit dem Einzug der Habsburger in Ungarn erscheinen die
neuerworbenen ungarischen Länder als ein Teil des Gesamt
besitzes der Dynastie. In diesem Sinne findet sich schon
seit Ferdinand I. der Ausdruck « Haus Österreich », terri
torial angewendet 4 . Seit den letzten Regierungsjahren
Leopolds I. wird auch das Wort «Monarchie» als Ge
samtbezeichnung gebraucht 5 , seit 1712 die Verbindung
1 Das staatsrechtliche und politische Problem der österreichisch
ungarischen Monarchie, S. 109 ff.
2 Zur Annahme des Kaisertitels im Jahre 1870 hat damals
Bismarck [Gedanken und Erinnerungen, Neue Ausgabe, Stuttgart
1913, Bd. II, S. 77], obwohl diesem Ereignis viel eher eine konsti-
tive Bedeutung zuzuerkennen wäre, motivierend bemerkt, es handle
sich nur um eine äußerliche Sanktion verfassungsmäßiger Kompe
tenzen, gewissermaßen als ob ein mit der Führung eines Regimentes
beauftragter Offizier definitiv zum Kommandeur ernannt werde.
3 Gedanken und Erinnerungen, S. 139.
4 Oben S. 17 f.
0 Turba, Pragmatische Sanktion, S.-A., S. 6, Anm. 8, und
Grundlagen, T. II, S. 2, Anm. 4.