Full text: Die Staatsausgaben von Großbritannien, Frankreich, Belgien und Italien in der Vor- und Nachkriegszeit

die Dringlichkeit einer Erhebung über die finanziellen Verhältnisse der verschiedenen Staaten betont. Auf 
der nächsten Tagung, die im Jahre 1857 in Wien abgehalten wurde, stand die internationale Finanzstatistik 
im Mittelpunkt der Verhandlungen, Durch eine besondere Kommission, der u, a. Freiherr v, Reden und 
Freiherr v, Czoernig angehörten, wurde ein bis in alle Einzelheiten ausgearbeitetes Programm zur inter- 
nationalen Finanzstatistik aufgestellt!). Das Programm, das nach dem Urteil von Zahn?) von »außer- 
ordentlicher Sachkenntnis und großem Scharfsinn zeugt« und »gewissermaßen das zu erstrebende Ideal 
auf diesem Gebiete darstellt«, sah eine sehr ins einzelne gehende Erfassung der Staatseinahmen, der 
Staatsausgaben sowie des Staatsvermögens vor. Auf den weiteren Tagungen des Internationalen Statisti- 
schen Kongresses®) wurde das Problem der internationalen Finanzstatistik nur kurz behandelt. Wesent- 
liche weitere Fortschritte wurden nicht erreicht. Im Anschluß an die Tagung im Haag 1869 veröffent- 
lichte Carl Victor v, Riecke 1876 seine Denkschrift »Die internationale Finanzstatistik, ihre Ziele und 
ihre Grenzen«*), in welcher zum ersten Male die Schwierigkeiten des internationalen Finanzvergleichs 
richtig darin erkannt wurden, daß die Finanzgebarung nur aus der individuellen Entwicklung der Einzel- 
staaten zu verstehen ist, und daß die Unterschiede der staatlichen und finanziellen Struktur einem exakten 
Vergleich im Wege stehen. 
Im teilweisen Zusammenhange mit den Diskussionen auf den Tagungen des Internationalen Statisti- 
schen Kongresses bzw. im Anschluß daran entstand eine Reihe wertvoller Arbeiten über das Problem der 
internationalen Finanzstatistik, Hiervon sind aus der deutschen Literatur besonders die Bücher von Frei- 
herr Carl v. Czoernig®), E. Pfeiffer®), Ph. Gerstfeld”) und R, v. Kaufmann®) zu erwähnen®). Es 
ist zu bemerken, daß die groß angelegte international vergleichende Darstellung von Czoernig von der 
>»k. k. Direktion der administrativen Statistik« amtlich herausgegeben ist. Aus den letzten Jahren vor 
dem Kriege ist neben den Untersuchungen von Schwarz") vor allem die Arbeit von Zahn »Die Finanzen 
der Großmächte« 11) zu erwähnen, an die sich eine grundsätzliche Diskussion der aufgerührten Probleme 
anschloß*”). In unmittelbarem Zusammenhange mit der Finanzreform steht das Gutachten von Adolph 
Wagner »Zur Kritik der Berechnungen über die finanziellen, namentlich Steuerbelastungen der Bevölke- 
rung sowie über die Vergleichung zwischen den bezüglichen Daten der verschiedenen Staaten«13), 
In der ausländischen, insbesondere englischen Literatur, wurde die Finanzstatistik sehr viel einseitiger 
als Steuerstatistik betrieben, weil die liberale Staatsauffassung eine Beschäftigung mit den als Last empfun- 
denen Steuern sehr viel näher legte als eine Beschäftigung mit den öffentlichen Leistungen, die ihren Aus- 
druck in den öffentlichen Ausgaben finden. 
In der Nachkriegszeit hat die Beschäftigung mit dem Problem des internationalen Finanzvergleichs in 
Deutschland wie auch im Ausland erneut einen außerordentlich starken Antrieb erfahren. Im Zusammen- 
hang mit der Reparationsfrage und der Frage der interalliierten Schulden gewann der »Steuerbelastungs- 
vergleich« eine ungewöhnliche politische Bedeutung als ein angeblicher Maßstab für die »Leistungsfähig- 
keit«. Nunmehr wurde die Finanzstatistik fast nur noch unter diesem Gesichtspunkt gesehen, während 
die Benutzung der Finanzstatistik als Hilfsmittel zur vergleichenden Beschreibung der Staatsein- 
richtungen im Sinne der Kameralisten völlig in den Hintergrund trat. Das politische Problem des Steuer- 
?) Vgl. den Rechenschaftsbericht über die 3, Versammlung des Internationalen Statistischen Kongresses, Wien 1858; ferner Carl Vietor 
v.Riecke, Die Internationale Finanzstatistik, ihre Ziele und ihre Grenzen, Stuttgart 1876. 
?) Art. »Internationale Finanzstatistike im Allgemeinen Statistischen Archiv, Jahrgang 1915, S. 3434. 
*) London 1860, Berlin 1863, Florenz 1867, im Haag 1869, Petersburg 1872, Stockholm 1874. 
*) Stuttgart 1876. 
5) Das österreichische Budget für 1862 in Vergleichung mit jenen der vorzüglicheren anderen europäischen Staaten, 2 Bde., Wien 1862; 
von demselben Verfasser: Darstellung der Einrichtungen über Budget, Staatsrechnung und Controle in Österreich, Preußen, Sachsen, Bayern, 
Württemberg, Baden, Frankreich und Belgien, Wien 1866. 
®) Vergleichende Zusammenstellung der europäischen Staatsausgaben, 1865 (2. Auflage 1877). 
7) Beiträge zur Reichssteuerfrage auf Grund einer Vergleichung der Ausgabe- und Einnahmeverhältnisse im Deutschen Reich mit denen 
ler größeren Staaten Europas, Leipzig 1879. 
*) Die öffentlichen Ausgaben der größeren europäischen Länder nach ihrer Zweckbestimmung, 3. Auflage, Jena 1893. 
®) Frhr. v.Riecke unterzieht in seiner erwähnten Denkschrift besonders die Werke von zo ernig einer eingehenden Würdigung und hebt 
an weiteren hervorragenden Veröffentlichungen auf dem Gebiet der internationalen Finanzstatistik noch das Buch von Maurice Block, L’Europe 
Politique et Sociale (Paris 1869; besonders hat das 3. Kapitel der 1. Abteilung die öffentlichen Finanzen zum Gegenstande) sowie den Go- 
xhaischen Hofkalender (Jahrgang 1874 und 1876) hervor. 
2%) Otto Schwarz, Die Finanzsysteme der Großmächte, Leipzig 1909, 
2) Berlin 1908. 
12) Vgl. vor allem Plenge in der Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Jahrgang 1908, 8. 713ff. Plenge stellt hier an sich berech- 
Dies lag aber Acht In der Abıoht der aheechen Aral DO die Bann EP "NE GETAN worden können, wie te Der vorgelegt wird 
ar e1t, Vgl. die Entgegnung von Zahn in den Annalen des Deutschen Reiches, Jahr- 
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